Der Dämon, die Zeitmaschine und die Auserwählten (Zehn Namen) (German Edition)
Tekman liest seit Stunden laut irgendwelche Zeitungsartikel vor, in denen all ihre Vorzüge aufgezählt werden. Interessiert doch keine Sau. Und das Landei Lisa faselt im Schlaf ununterbrochen von irgendeiner behämmerten Prophezeiung. Außerdem stinkt das ganze Zelt nach dem affigen Parfüm von dieser arroganten Schnepfe aus dem Zentrum. Dachte mir, bevor ich die Ziege noch zusammenschlage, geh ich doch lieber zu euch rüber und penne auf dem Boden.“
„Du kannst nicht im Jungszelt schlafen!“, maulte Charly.
„Ach, und warum nicht?“
„Du bist ein Mädchen!“
„Kluger Junge. Und?“
„Ich schlafe in Unterhosen.“
„Ich auch.“
„Ach Scheiße! Ben, hilf mir doch!“
Ben errötete, was jedoch im Halbdunkel verborgen blieb.
„Charly hat recht. Mädchen gehören ins Mädchenzelt und die Jungs ins Jungenzelt.“
„Spießer alle miteinander. Aber sagt mal, was habt ihr hier draußen mitten in der Nacht verloren?“
„Wir haben Hunger“, brummte Rippenbiest.
„Und vielleicht ist ja noch Pudding vom Mittag übrig“, ergänzte Charly und leckte sich die Lippen.
Nessy brauchte nicht lange zu überlegen. „Dann bin ich mit von der Partie.“
„Na, von mir aus“, entgegnete Ben und schaltete seine Lampe wieder aus. „Aber dann still jetzt!“
Nun schon zu viert setzten sie also den Weg in Richtung Küche fort und hatten diese alsbald erreicht. Sie hatten Glück. Die Zeltklappe war nur angelehnt, und nacheinander schlüpften die Jungen Leute ins Innere des Gemeinschaftszeltes. Dort erwartete sie sogleich die nächste Überraschung, denn hier brannte noch Licht. Eine einzelne, halb heruntergebrannte Kerze stand auf dem Versammlungstisch und tauchte eine unglaubliche Szene in dämmriges Licht: Auf einem der Stühle hockte niemand anderes als ihr Kollege Flaad , der sich just in diesem Moment anschickte, eine Flüssigkeit zu trinken, die verdächtig nach Blut aussah. Erschrocken stellte der blasse Junge, ausnahmsweise einmal ohne Sonnenbrille unterwegs, das Glas zurück auf den Tisch.
„Was treibt ihr denn hier?“
„Uns treibt der Hunger“, antwortete Charly und konnte den Blick nicht von dem vermeintlichen Blut in Flaads Glas abwenden. Was wurde hier gespielt?
„Mich auch“, meinte Flaad nur und schien seinen ersten Schrecken überwunden zu haben. In einem Zug leerte er nun das Glas und rülpste unüberhörbar zufrieden.
„War das etwa Blut?“, wollte Ben wissen, der ebenso wie Charly, Rippenbiest und Lisa im Zelteingang stehengeblieben war.
„Ja“, gab Flaad ungeniert zu.
„Was bist du für ein Freak?“, keifte Nessy schließlich. „Das ist ja total ekelhaft.“
„Ich bin kein Freak. Ich bin ein Vampir.“
„Häh?“
„Ein Vampir! Sagt bloß, das habt ihr noch nicht bemerkt?“
„Soll ich ihn sicherheitshalber erschlagen?“, schlug Rippenbiest vor und grinste.
„Von mir aus“, grummelte Nessy.
„Warum?“, widersprach Charly. „Ist doch krass.“
„Nun hört doch mal auf“, schimpfte Ben. „Warum wollt ihr dauernd irgendwen erschlagen? Immerhin ist das unser Kollege Flaad. Und der hat uns bisher doch noch gar nichts getan!“
„Vielleicht sollte ich ihm einen Holzpflock ins Herz rammen“, flüsterte Rippenbiest dem Mädchen neben sich zu. „Nur zur Sicherheit.“
„Leute“, sagte Flaad und lächelte freundlich. „Ihr müsst doch wohl bemerkt haben, was ich bin. So von wegen Probleme mit Sonnenlicht, Blutwurst essen, blasse Haut und so. Ihr scheint überhaupt keine Ahnung zu haben, was der Vampir von heute für einen Lebenswandel führt.“
„Na, was schon?“, tat Charly seine profunden Kenntnisse im Bereich der Fabelwesen kund. „Die schlafen am Tag in ihrem vergammelten Sarg, und in der Nacht beißen sie harmlose Jungfrauen in den Hals. Außerdem zerfallen die zu Staub, wenn sie ein Kreuz zu sehen kriegen oder mit Weihwasser besprenkelt werden.“
„Woher hast du denn diese Weisheiten?“
„Hast du nie was von Dracula gehört? Ist doch bestimmt ein Verwandter von dir, oder?“
„Nie gehört von dem Kerl. Aber Vampire, wie du sie schilderst, gibt es schon lange nicht mehr. Naja, vielleicht noch den ein oder anderen Hinterwäldler, der schmollend in seinem Sarg hockt und auf bessere Zeiten hofft. Aber der moderne Vampir kann – mit Sonnenbrille – auch ohne Weiteres dem Tageslicht trotzen, stutzt sich regelmäßig die Eckzähne und beißt in Blutwürste statt in Hälse. Schlafen tu ich übrigens wie alle anderen auf meiner reichlich
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