Der Dämon, die Zeitmaschine und die Auserwählten (Zehn Namen) (German Edition)
Bösen lautet laut einer Flaschenpost, die Charly zugespielt wurde, Aichet. Er hat auch schon versucht, uns durch seine Handlanger töten zu lassen. Zwei- oder dreimal. Dennoch haben wir die Sache mit der Prophezeiung auf die leichte Schulter genommen. Aber Lisa hat uns nun endgültig klargemacht, dass diese Sache weitaus wichtiger ist, als die Auswahl des neuen Hüters. Denn Aichet will das Nichts vernichten. Ich weiß, ich hatte das schon letzten Sommer einmal kurz erwähnt. Hast du den Namen vielleicht doch schon einmal gehört? Oder ist dir die Prophezeiung womöglich bekannt?“
Harry überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf. „Nein, junger Freund. Der Name Aichet ist uns unbekannt. Das soll aber nichts bedeuten, denn wenn ein Dämon danach trachtet, dass Nichts zu unterwerfen, dann wird er keinen Umweg über unser Dorf machen. Er dürfte ins Zentrum gegangen sein. Prophezeiungen kenne ich viele, und die meisten davon sind blanker Unsinn. Lisas Prophezeiung dagegen ist wohl ernst zu nehmen, denn sie scheint mir ein kluges Mädchen zu sein. Sie hat nicht umsonst diese einsame Entscheidung getroffen. Doch habe ich von eben dieser Prophezeiung noch nie zuvor gehört. Tut mir leid.“
Ben war enttäuscht, doch es war wohl nichts daran zu ändern. Mit diesen spärlichen Informationen mussten sie sich auf den Weg machen, dem Mädchen zu folgen; und vielleicht wieder in Lebensgefahr geraten, sollte Aichet ihren Weg kreuzen.
„Es ist meine Schuld“, flüsterte Charly, der neben Ben saß.
„Was? Was ist deine Schuld?“, wollte Ben wissen.
„Dass wir so wenig über die Sache mit der Prophezeiung wissen. Und dass Lisa alleine unterwegs ist.“
„Warum? Was hast du damit zu tun?“
„Sie ist zu mir gekommen. Damals auf der Erde. Sie hat mich um Hilfe gebeten. Aber ich habe sie nie ernst genommen. Habe ihr eigentlich nie richtig zugehört. Und wenn doch, dann habe ich ihr nicht wirklich geglaubt. Für mich war das alles nur ein Spiel. Für Lisa jedoch tödlicher Ernst. Nach und nach habe ich mich von ihr abgewendet und nur noch an meinen Spaß und an meine blödsinnigen Abenteuer gedacht. Ich könnte kotzen, so ekelhaft bin ich zu ihr gewesen.“
„Das ist doch Unsinn“, meinte Ben, erahnte aber ein Körnchen Wahrheit in den Worten seines Freundes. „Außerdem haben wir doch alle eher an verrückte Abenteuer, Fußball, Streit mit Schlömi, Jam und Ellen und an anderen total unwichtigen Kram gedacht, statt uns wirklich mit Lisas Geschichte zu beschäftigen. Naja, jetzt haben wir Gelegenheit, das alles wieder geradezubiegen.“
„Dann nichts wie los!“, brummte Rippenbiest und packte seine Streitaxt fester.
„In Ordnung“, flüsterte Charly nun noch leiser, doch mit neuer Hoffnung im Blick.
„Von mir aus“, pflichtete Nessy schließlich bei, wenn sie es auch nicht unterlassen konnte oder wollte, die Augen zu verdrehen.
Die Zeit zum Abschied war gekommen. Die Auserwählten hatten ihr kleines hölzernes Boot voll Proviant geladen und waren fertig zum Aufbruch. Charly ging noch einmal kurz hinüber zu Jeremias, der ihm etwas kleines Graues in die Hand drückte. Er lächelte kurz und ließ es unter seiner Regenjacke verschwinden. Vorerst. Danach begannen alle anderen Umarmungen, Segenswünsche und Aufmunterungen. Ben, Charly, Rippenbiest und Nessy verabschiedeten sich von jedem einzelnen im Dorf. Alle hatten sie liebgewonnen im Laufe der Zeit, die sie hier hatten verbringen dürfen. Tränen flossen, und keiner schämte sich ihrer. Besonders schwer fiel den Reisenden der Abschied von Harry und Hotte. Hotte, ihr alter Freund und Weggefährte. Hier hatte er sein Ziel gefunden. Ohne viele Worte zu machen, trennten sich die Kandidaten von ihm. Alles war bereits gesagt worden. Und auch Harry sprach kein Wort mehr. Jeder wusste, was er dem anderen bedeutete. Und jeder wusste, es war wohl ein Abschied für immer.
Die Auserwählten, die eigentlich Superstars sein wollten, hier jedoch eines Besseren belehrt worden waren, stachen in See, besser gesagt in Fluss. Nach einigen hundert Metern blickte Ben ein letztes Mal zurück. Er erkannte Harry. Der winkte ihm noch einmal zu. Der Junge erwiderte den letzten Abschiedsgruß. Sie mussten weiter. So schwer, wie es auch sein mochte. Er schaute wieder nach vorne.
Stumm saßen die Vier wie die alten Indianer im Boot – eine Art einfaches Kanu, welches aber immerhin sogar dem Tauren annähernd genug Platz bot, und paddelten, so schnell es ging.
Weitere Kostenlose Bücher