Der Dämon, die Zeitmaschine und die Auserwählten (Zehn Namen) (German Edition)
trug einen schwarzen Anzug – teuer, wie es schien – schwarze Lederschuhe und Goldschmuck. Sein dunkles Gesicht schmückte die Andeutung eines Kinnbarts und – tatsächlich - eine reflektierende Sonnenbrille. Der Schädel war kahl. Vor ihnen stand der Tod.
Er achtete nicht auf die anderen, sah nur die Tote und schritt langsam aber zielsicher auf die Leiche zu. Angst machte sich breit im Haus des Chefs. Und sicher war es nicht zum ersten Mal so. Und – wie Ben befürchten musste – auch nicht zum letzten Mal. Der schwarze Mann legte ohne Bedauern oder jede sonstige Regung in seinem Gesicht seine rechte Hand auf den Körper der Toten. Zwischen seiner Handfläche und der kranken Haut der Batarin entstand ein sichtbares Spannungsfeld. Ein blendendes Licht strömte aus ihrem Körper heraus und in seine Hand hinein. Schließlich unterbrach der Schwarze den Kontakt mit der Toten und hielt eine tennisballgroße Kugel aus reinem Licht in seiner großen Hand. Ihre Seele. Der schwarze Mann umschloss sie mit den Fingern und verließ die Behausung auf dem gleichen Weg, wie er sie betreten hatte. Aber dieses Mal glaubte Ben, bemerkt zu haben, wie ihn der Schwarze Mann kurz angesehen hatte. Er folgte ihm. Gerade, als Ben das Haus des Häuptlings verließ, sah er den unheimlichen Mann den Pfad entlang Richtung Westen gehen. Immer noch mit der leuchtenden Seele in der Hand. Wohin ging er?
„Hey! Bleib stehen. Ich muss dich sprechen!“, rief ihm Ben hinterher.
Aber der seltsame Mann ging weiter, als habe er ihn nicht gehört. Vielleicht hörte und sah er ja tatsächlich niemanden, außer den Toten und deren Seelen. Aber Ben war doch sicher, der Schwarze habe ihm direkt in die Augen geblickt. Also rannte er ihm hinterher und hatte ihn schon bald eingeholt, denn der Seelenholer beschleunigte seine Schritte nicht. Schließlich war Ben auf gleicher Höhe angelangt und tippte ihm auf die Schulter. Zumindest versucht er das. Aber sein ausgestreckter Finger griff ins Leere. Als bestünde der Schwarze nur aus Luft. Zwar nicht unsichtbar aber immerhin körperlos. Dennoch schien der Mann die nicht zustande gekommene Berührung irgendwie wahrgenommen zu haben, denn er stoppte und schaute schließlich den Menschen neben sich an.
„Also gut“, sagte der Schwarze mit einer Stimme, die jedem Bluessänger zur Ehre gereicht hätte. „Was willst du von mir, du Plagegeist?“
Ben war erst einmal verblüfft, dass ihn der Körperlose einfach so ansprach, und dass ausgerechnet dieser ihn einen Geist nannte. Aber bald schon hatte er seine Fassung wiedergefunden.
„Ich habe ein paar Fragen an dich.“
„Nun, gut. Weil du es bist. Und weil du scheinbar als einziger keine Angst vor mir hast. Obwohl es eindeutig besser für dich wäre, mein nerviger Freund.“
Und ob Ben Angst vor ihm hatte. Aber die zeigte er nicht.
„Ich gestatte dir also genau drei Fragen. Keine mehr. Ich habe sehr viel zu tun. Ich werde überall gebraucht, nicht nur hier!“
„Drei Fragen. Das ist fair, denke ich.“ Ben überdachte kurz, was er wissen wollte und hatte schon Sekunden später seine Fragen festgelegt. „Zum ersten: Wer bist du?“
„Falls du es noch nicht bemerkt hast – Ich bin der Tod; Gevatter Tod, wie man im Mittelalter so schön sagte. Nur, dass ich damals als Knochenskelett in Mönchskutte herumlief. Aber ich bin sehr wandlungsfähig. Ich habe eigentlich kein Aussehen. Meist bin ich für die Sterblichen nicht zu sehen. Nur manchmal macht es mir Spaß, die Leute zu ängstigen. So wie hier. Durch die Seuche habe ich hier alle Hände voll zu tun. Aber zum Glück kann ich an vielen Orten zugleich sein. Auch in deiner Dimension.“
Ben starrte ihn ungläubig an.
„Nun schau nicht so blöde aus der Wäsche, Ben. Ich weiß alles von dir. Von jedem. Ihr seid alle in meinem Notizbuch verewigt. Warte mal eben.“
Der Tod entnahm seiner Brusttasche einen schwarzen, in Leder gebundenen Notizblock, ohne die leuchtende Seele aus der anderen Hand entgleiten zu lassen. Er stöberte kurz die Seiten des Buches durch, bis er fand, was er suchte. „Ja, da haben wir's schon: Nebel, Benjamin Engelbert, kurz Ben, ach siehe da, in ein paar Tagen hast du ja Geburtstag. Schön schön, und hier: Todestag... Ach nein, das lassen wir lieber, nimmt dir ja die ganze Spannung. Aber keine Sorge, du stehst auf keiner der nächsten Seiten, mein Freund. Du hast noch genug Zeit, wie's ausschaut. Aber nun stelle deine zweite Frage. Die Zeit drängt.“
Im Mittelalter
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