Der Dämon, die Zeitmaschine und die Auserwählten (Zehn Namen) (German Edition)
Himmelsbegehung hinter sich gebracht, als sie schließlich das weiße Haus – nein, nein, sie waren mitnichten in Amerika gelandet - erreichten. Außer den Wänden des quadratischen Gebäudes gab es nur unglaubliche Mengen von hohem, dunkelgrünen Gras. Weit in der Ferne war immer noch die Bergkette zu sehen. Das Gras wuchs hier in unmittelbarer Nähe des Hauses beinahe eineinhalb Meter hoch, so dass sie die Katzen lieber trugen, statt Gefahr zu laufen, auf eine von ihnen zu treten, weil sie den Boden ja nicht sehen konnten. Und nun waren sie sich auch fast sicher, das Haus der Zeit vor sich zu haben, denn endlich hörte man ein leichtes Ticken. Wie das Ticken einer Wanduhr. Ben schaute auf die Armbanduhr an seinem Handgelenk. Aber die ruhte still mit ihren Zeigern bei zwölf Uhr. Von ihr kam das Ticken also nicht. Dann marschierten sie durch das hohe Gras um das weiße Gebäude herum, das in etwa den Umfang einer größeren Garage besaß. Nun sahen sie zum ersten Mal die offensichtliche Vorderseite des Hauses, die ziemlich genau der in Meister Athrawons Skizze entsprach. Eine quadratische Fläche mit einem überdimensionalen Ziffernblatt in der Mitte unter dem Spitzdach. Es war hellblau mit schwarzen Zeigern. Einem großen, der auf zwölf stand und einem kleinen auf der neun. Also hatte er um etwa sieben Uhr geklingelt, um die tapferen Wanderer zu wecken. Die Zahlen auf dem Zifferblatt bestanden aus grellrot bemaltem Metall. Von 1 bis 12. Alles an Ort und Stelle, wie es sich gehört. So selbstverständlich war das ja in einer anderen Dimension mitunter gar nicht. Und unter dem großen Kreis des Ziffernblatts befand sich noch eine kleine Tür aus Brettern von bestenfalls einem guten Meter Höhe. Sie war nur angelehnt.
„Nur einen kurzen Blick auf das Uhrwerk“, bettelte Charly.
„Ja, bitte, bitte“, quängelte sogar Yoghi wie ein kleines Kind.
Als ob Ben sein Vater oder Schlimmeres gewesen wäre. Und dann noch Lisas große grüne Augen, die mehr sagten als alle Bitteschöns auf dieser Welt. Nessy und der Taure grinsten ihren Gruppenleiter nur frech an.
„Ihr kennt doch das Gedicht?“, versuchte Ben zu retten, was zu retten war. „Darin heißt es Verlier keine Zeit und verlasse die Wände. Und das Gedicht hat sich bekanntlich mehr als einmal als wahr erwiesen. Wir sollten machen, dass wir weiterkommen.“
Aber die anderen waren einfach zu neugierig. Und Ben selbst auch, wenn er ehrlich war. Fast kam es ihnen vor, als sei das letzte Abenteuer in der Wüste schon viel zu lange her. Sie wollten hinein. Schließlich musste man, um die Wände zu verlassen, erst mal drinnen gewesen sein, wie Charly zu bedenken gab. Und so kam es, wie es kommen musste.
„Also gut, also gut“, lenkte Ben ob der zahlenmäßigen Übermacht und nicht zuletzt seiner eigenen Neugier ein. „Aber nur kurz rein, alles ansehen und wieder raus. Versprochen?“
„Eeeehhrenwooort!“, schworen die anderen im Chor.
Doch Ben glaubte nachdem bisherigen Verlauf der Geschichte nicht unbedingt daran, dass es so einfach werden würde. Dennoch gingen sie nacheinander und mit ihren Katzen durch die Brettertür ins Innere des Hauses der Zeit. Besser gesagt, sie krochen auf allen Vieren, denn sonst wären sie nicht durch die mickrige Tür hineinkommen. Ob die Tür einst für Zwerge gemacht worden war? Drinnen wurde das Ticken merklich lauter. Und es war nicht so dunkel, wie sie angenommen hatten, obwohl außer durch den Türspalt keinerlei Tageslicht in den viereckigen Raum gelangen konnte. Das Uhrwerk leuchtete aus sich selbst heraus! In der Mitte des kleinen Raumes arbeitete es und bewegte die Zeiger der Uhr an der äußeren Wand, ähnlich wie in einem Kirch- oder Rathausturm. Federhaus, Zugfeder, Anker, Spiralfeder und Unruh waren offenbar aus purem Gold gefertigt worden, das von innen heraus leuchtete. Luna hätte hier wohl doch noch seinen ersehnten Schatz finden können. Wer mochte der unbekannte Erbauer dieses tickenden Kunstwerkes gewesen sein? Die Zuschauer aus der Fremde waren auf jeden Fall fasziniert. Nur das Ticken fiel auf die Dauer lästig. Schon wollten sie wieder hinausgehen. Doch dann passierte etwas Merkwürdiges. Just in dem Moment, als Ben sich der Tür zuwandte, traf ein unglaublich heller Lichtstrahl eines der goldenen Rädchen des Uhrwerkes, welches die Größe eines Wagenrades besaß. Für eine Sekunde glänzte das größte der Zahnräder wie ein Spiegel und die Besucher konnten sich selbst in eben jenem Spiegel sehen.
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