Der Dämon, die Zeitmaschine und die Auserwählten (Zehn Namen) (German Edition)
malerisch ihre Kreise über dem Uferstreifen drehte, ruhte eine Weidenammer auf einer Korbweide im sachten Wind des hereinbrechenden Abends. Ein Rotschenkel stakste durch das Wasser und schien erhaben zu sein über allem, was sonst noch im und am Wasser sein ungefährdetes Dasein fristete. Auf den Hügeln in der Ferne waren, wenn man genau hinsah, ganz andere – zum Teil wesentlich größere – Tiere zu sehen. In den Lüften vor dem fernen, malerischen Gebirge schwebten einträchtig eine blauschwarze Krähe und ein lustig bunter Bergfink nebeneinander und schauten sich ihr Revier aus luftiger Höhe an. Sie blickten hinab auf ihre landlebenden Mitbewohner, die zwischen Latschenkiefer, Tanne, Weißem Germer und einer Unmenge von Alpenrosen ihr kleines Paradies gefunden hatten. Ein kleines Rudel aufmerksamer Gämsen schaute hochnäsig herab, auf alles was ihnen nicht folgen konnte in schwindelerregende Höhen.
Die Menschen, die beinahe wie ein Fremdkörper in der Landschaft wirkten, konnten die kleineren Tiere von ihrem Standort aus nicht erkennen. Dort auf den Hügeln und Steinen zwischen Nadelbäumen, Sträuchern und wilder Blumenpracht hätten sie Freundschaft schließen können mit den pfeilschnellen Schneehasen, den scheuen Murmeltieren und – wenn sie Wert darauf gelegt hätten – auch mit Salamandern und Hunderten von kleinen Nagern. Lisa hätte am liebsten auf einer der höhergelegenen Wiesen liegen, mit den Schmetterlingen in allen Farben des Regenbogens gespielt und über sich den stillen, ein wenig unheimlichen Flug der majestätischen Geier beobachtet. Doch auch in geringerer Entfernung tummelten sich Tiere auf der wunderschönen Wiese. Ein drolliges Pärchen von Braunbärjungen tollte und rollte nicht unweit von ihnen durch die Landschaft, bis sie sich endlich für einen Aufenthaltsort entschieden hatten und wilde Beeren in Hülle und Fülle von einem großen Strauch mit ihren gelenken Zungen abpflückten und schwuppdiwupp auffraßen. Doch näher ran mochten die Auserwählten nicht gehen, obwohl die Jungen einfach zu süß waren, aber sie vermuteten die deutlich größere und grimmigere Mutter der pelzigen Kleinen in der Nähe. Sie blickten nach oben, als sie den Schrei eines Habichts über sich vernahmen, der scheinbar den sterbenden Tag damit verabschieden wollte. Wunderschön! Schließlich nutzten sie die letzten Strahlen der wärmenden Sonne und stürzten sich mit allem, was sie am Leib trugen in das kühle Nass des Sees. Die Wasservögel preschten in alle Himmelsrichtungen auseinander, als die lustige Menschen- und Taureninvasion einsetzte. Sie planschten, grölten und bespritzten sich mit Wasser. Charly schwamm genießerisch eine Runde in Ufernähe. Ben schubste Nessy ein wenig unsanft ins Wasser, bevor die sich kreischend vor Freude mit einem kühlen Wasserguss in seine Richtung revanchierte.
Wenige Stunden später glitzerte der Widerschein des hellen Mondlichts in den sanften Wogen des kleinen Sees. Alles war ruhig. Nur das leise Prasseln und Knistern des Lagerfeuers, das die Menschen an ihrem Schlafplatz in Ufernähe entfacht hatten, störte die absolute Lautlosigkeit in dieser kleinen Welt mitten im Nichts. Selbst die Tiere hatten sich der Nacht gebeugt und sich dem Schlaf überlassen. Lediglich die Tiere der Nacht – die lautlosen Jäger dieser Welt – hielten ihre Augen geöffnet. Es war Vollmond. Beinahe schienen die Krater auf dem Mond, dem keine Wolken im Wege waren, ein zufriedenes rundes Menschengesicht zu bilden.
„Ob es wohl unser Mond ist oder ein anderer?“, fragte Ben Charly spät in der Nacht. Die Beiden waren als einzige noch wach und lagen neben dem schützenden Feuer unter ihren Schlafdecken. Ausnahmsweise hatte sich auch Rippenbiest einmal wieder den Luxus des Schlafens gegönnt.
„Ich denke schon“, meinte Charly mit leiser Stimme. „Das Weltall ist so groß, dass es wohl auch für zwei Dimensionen reichen dürfte. Das einzige was mir allerdings noch fehlt in diesem Paradies unter dem Sternenhimmel ist das ausgiebige Mahl, das Yoghi uns in Aussicht gestellt hat.“
„Ich rede von den Sternen, und du faselst mal wieder vom Essen. Sagt dir das Wort Ignorant etwas?“
„Ich hab dich auch lieb, Ben.“
Dann hörte Ben das Schnarchen seines dicken Freundes. Doch er lag weiterhin wach und dachte zurück an ihr letztes Abenteuer bei den Sandmenschen. Zwar hatte er sie zunächst verteufelt, als sie ihnen die Augen aus den Köpfen schneiden wollten, aber so im
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