Der Dämonen-Gnom
Gewissen?«
»Nein, warum sollte ich?«
»Es hätte sein können.« Der Gnom gab sich überlegen. »Es ist ja so. Je mehr Zeit vergeht, um so mehr verliert eine Situation ihren Schrecken. So könnte es auch bei dir gewesen sein. Du hast dir einfach gesagt, daß es ein böser Traum war, den du erlebt hast, ich aber sage dir, daß es kein Traum gewesen ist.«
»Das weiß ich.«
»Wie schön.« Pablo strich über sein Haar. Er trug noch immer diesen dunklen Anzug, der ihn lächerlich avissehen ließ. »Mit wem hast du darüber gesprochen? Ich sah dich mit Michaela Santini reden.«
»Mit niemandem!« stieß Cäsar hervor. »Ich habe alles für mich behalten, verstehst du?«
»Und das stimmt?«
»Ich schwöre es.«
Der Gnom lächelte hinterhältig. »Du willst nicht sterben, wie? Du hängst an deinem Leben, denke ich.«
»Und wie!«
»Daß finde ich auch gut. Deshalb solltest du auch den Mund halten, Großer.«
Cäsar nickte. Er würde schweigen, aber er wollte auch wissen, was dieser kleine Teufel vorhatte. Am liebsten hätte er ihn am Kragen gepackt, in die Höhe gestemmt und durchgeschüttelt, aber das traute er sich doch nicht, denn er dachte immer wieder an die verfluchten vier Leibwächter, die den Gnom beschützten.
Pablo streckte seinen Arm aus. »Tu es nicht, Cäsar. Was immer du auch denkst, laß es lieber sein. Es könnte leicht zu deinem Ende führen, glaube mir.«
»Ja, ich… ich… aber ich will wissen, was denn noch alles geschieht!« preßte er hervor.
Der Zwerg blieb gelassen. »Du solltest dich wirklich überraschen lassen, Großer.«
»Du hast von Toten gesprochen, Pablo.« Einmal in Fahrt, hört er nicht auf. »Wer soll sterben?«
»Ich weiß es noch nicht«, erwiderte der Gnom achselzuckend. »Aber sieh zu, daß man dich nicht auch begraben wird.« Er drohte ihm mit dem Zeigefinger. »Verhalte dich so, daß ich nicht böse werden muß. Hast du verstanden, Großer?«
»Ich weiß es.«
»Dann bin ich zufrieden. Wir werden uns spätestens um sechs Uhr sehen, wenn die Vorstellung beginnt.«
Der Schwarze nickte. Er konnte nicht mehr sprechen. Seine Kehle saß zu. Zudem wußte er auch nicht, was er sich mit diesem Menschen noch zu sagen hatte.
Lässig drehte sich der Zwerg um und ging davon. Er pfiff sogar, und dieses schrille Pfeifen läutete wie ein böses Echo durch den Kopf des starken Mannes.
Auch er wollte nicht mehr bleiben. Er hatte keinen Bock mehr. Er schaute auf seine Instrumente, als wären sie ihm fremd geworden, und er schüttelte dabei den Kopf. Die Bewegung war gleichzeitig eine Geste, die besagte, daß er sich entschieden hatte. Er würde heute nicht trainieren, er hatte einfach keine Ruhe, er wollte mit sich und seinen Gedanken allein sein. Und er konnte nicht einmal etwas essen, deshalb ließ er das morgendliche Frühstück ausfallen, im Gegensatz zu dem Gnom, denn er verschwand im Kochwagen, wo die Mitarbeiter zusammenhockten.
Es war alles noch ein wenig wie früher. Hier hatten die Mitarbeiter das Gefühl, bei einem richtigen Zirkus zu sein, der noch nicht so technisiert war.
Der Gnom schien im Rücken Augen zu haben, denn bevor er den Wagen betrat, drehte er sich auf der schmalen Außentreppe um.
Cäsar drehte sich weg.
Er zitterte. Er hatte Angst, und so verhielt er sich auch in seinen Bewegungen, denn er lief mit raumgreifenden Schritten auf seinen Wagen zu, um sich dort zu verkriechen. Die Nacht war vorbei, doch er hatte die Furcht der dunklen Stunden nicht abschütteln können. Sie steckte in ihm, sie trieb ihn voran, und das Bild des nächtlichen Friedhofs wollte ihm einfach nicht aus dem Sinn.
Er riß die Tür mit einer heftigen Bewegung auf und stolperte in sein Reich, wo er sich eigentlich hätte wohl fühlen müssen, doch auch hier verschwand die Angst nicht.
Cäsar legte sich auf das Bett. Die Arme verschränkte er hinter dem Kopf.
Er starrte zur Decke. Und seine Furcht wuchs…
***
Das Lächeln wirkte auf dem Mund des Gnoms wie festgeklebt, aber es war nur Schau. Es ging Pablo nicht so gut, wie er sich selbst zeigte, denn etwas hatte sich verändert.
Er konnte nicht sagen, was es genau war, aber es hing mit ihm und seinen Taten zusammen. Während er noch aus der Paella-Pfanne die Reste nahm und sie auf den Teller legte, dachte er darüber nach, was es wohl sein konnte, das ihn so besorgt machte.
Etwas kam auf ihn zu, etwas, das er nicht fassen und begreifen konnte.
Jemand stieß ihn an. Ein Hochseilartist, viel größer als Pablo, und der
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