Der Dämonen-Gnom
nach unten. Zuerst hatte ich den Eindruck, daß die Tür verschlossen war, aber durch den leichten Druck der rechten Schulter gab sie knarrend nach. In diesem Moment dachte ich daran, wie oft ich in meinem Leben schon Kirchen- und Kapellentüren auf eine ähnliche Art und Weise geöffnet hatte, aber nie war es später gleich gewesen, irgendwie hatten sich die einzelnen Szenen abgewechselt und waren immer verschieden gewesen.
Vor Suko schob ich mich in die kleine, sehr karge und auch kühl wirkende Kapelle mit den hellen Wänden, die einen leicht gelblichen Anstrich aufwiesen.
Ich ging so weit vor, daß auch Suko eintreten und die Tür hinter sich schließen konnte. Er blieb neben mir stehen, und wir schauten beide nach vorn, wo sich deutlich ein wunderschöner, wenn auch kleiner Altar abzeichnete.
Auch dort standen Blumen, die aus großen Vasenöffnungen hervorstachen, und eine Mutter Gottes schwebte über dem Altar, wie im Sonnenlicht erstrahlend, wobei es nur das Blattgold war, das diesen heimeligen Glanz abgab.
Braune Bänke, schmal, einreihig, mit nur kleinen Sitzflächen und hohen Kniebänken.
Keine Bilder an den Wänden, auch kein Kreuzweg, aber zwischen der ersten Bank und dem Altar befand sich eine verhältnismäßig große Lücke, die durchaus in der Lage war, Platz für einen dort abgestellten Sarg zu schaffen.
»Hier wird wohl der letzte Gottesdienst für einen Menschen abgehalten«, murmelte Suko.
Ich gab ihm durch mein Nicken recht und bewegte mich nach rechts, denn ich wollte an dieser Bankseite vor bis zum Altar schreiten. In der Tat war es ein Schreiten, kein normales Gehen, denn wie wohl jeder Mensch zeigte auch ich mich in einer Kirche immer etwas gehemmt.
Suko blieb im Hintergrund, als wollte er mir den Rücken freihalten. Es war bisher nichts geschehen, und ich rechnete auch damit, daß nichts mehr passieren würde, aber mich machte plötzlich der Schatten aufmerksam, der über die Wand glitt.
Mein Schatten?
Das war mir neu, denn bisher hatte ich keinen gesehen. Ich blieb stehen, weil ich verunsichert war und wollte auch den Kopf drehen, um Suko zu fragen, dazu kam es nicht mehr.
Es war ein Schatten, und es war keiner.
Er war auch nicht innen zu sehen, dafür huschte er außen an einem der Fenster entlang.
Ich drehte den Kopf. Ich schaute geradewegs vor das Fenster, auch hindurch, und ich sah das Gesicht mit den glühenden Augen!
Er hatte gewartet, er hatte gehofft, aber nichts war passiert.
Der Gnom ärgerte sich. Sollte ihn sein Instinkt verlassen haben? Konnte er nicht mehr auf ihn vertrauen? Er befürchtete es, denn nichts war passiert, als Pablo im Schatten der alten Mauer hockte, nur die Zeit war ihm davongelaufen.
Zu lange durfte er nicht warten, denn an diesem Tag waren zwei Vorstellungen angesetzt worden. Am Nachmittag lief die für Kinder. Es war die letzte in diesem Jahr, und einige Wohlfahrtsorganisationen hatten sich zusammengetan, Busse gemietet, um die Kinder aus den Nachbardörfern Zirkusluft schnuppern zu lassen. Das alles war bekannt, und auch der Gnom wußte darüber Bescheid, und wenn er fehlte, fiel es auf. Dann waren nicht nur die Kinder enttäuscht, seine Kollegen ebenfalls, und die würden, im Gegensatz zu den jungen Besuchern schon unangenehme Fragen stellen, die den ganzen Plan gefährden konnten. Allein aus diesem Grunde schon durfte er nicht stundenlang auf dem Friedhof hocken und warten.
Er gab sich noch immer einige Minuten hinzu und achtete auf sein Gefühl. Warnte es ihn, warnte es ihn nicht?
Nein, nichts – Leere. Das wiederum ärgerte ihn wie wahnsinnig, denn er ging einfach davon aus, daß ihn das Gefühl nicht getrogen hatte.
Es mußte da etwas geben…
Im Laufe der Zeit war ihm auch kalt geworden. Der Wind wehte unangenehm über die Mauer hinweg, und sehr oft drang er auch gegen sein Gesicht. Dann brachte er den Geruch von Staub und Erde mit, der sich auch in den Nasenlöchern des Mannes festsetzte.
Warten und hoffen?
Nicht mehr. Er erhob sich hinter der Mauer und hatte vor Wut und Enttäuschung die Hände geballt.
Er hielt sein rundes Gesicht gegen den Mund, um ihn zu schnuppern.
Daß sein dunkler Anzug an bestimmten Stellen staubig geworden war, interessierte ihn nicht. Es war nur wichtig, daß er später den Sieg davontrug und sich auch auf seine vier Leibwächter verlassen konnte.
Daran waren Pablo ebenfalls Zweifel gekommen. Seit der Nacht hatte er sie nicht mehr gesehen. Sie waren verschwunden, als wären sie wieder in ihre
Weitere Kostenlose Bücher