Der Daleth-Effekt
der Raketenantrieb abschaltete, hatte plötzlich eine der drei Landestützen nachgegeben. Es war nicht bekannt, ob die Stütze eingeknickt oder in ein Loch gesunken war – aber das Ergebnis blieb dasselbe. Das Mondschiff war auf die Seite gefallen. Einer der Raketen-Treibsätze war abgerissen worden, und eine nicht genau bezeichnete Menge Treibstoff war ausgelaufen. Das Schiff war nicht mehr in der Lage, zu starten. Die Kosmonauten waren auf dem Mond gestrandet.
»Ob wohl die Sowjets eine Ersatzrakete haben, die noch rechtzeitig den Mond erreichen kann?« fragte Arnie.
»Das ist zu bezweifeln. Sie hätten es sicher erwähnt.«
»Und was ist mit den Amerikanern?«
»Wenn die etwas tun könnten, würden sie sich die Chance sicher nicht entgehen lassen. Aber sie haben nichts gesagt.«
»Dann … läßt sich also nichts unternehmen?«
»Hier ist euer Tee«, sagte Ulla und stellte ein schwer beladenes Tablett ab.
»Was soll diese Frage?« erwiderte Ove. »Du hast doch den gleichen Gedanken wie ich! Warum installieren wir nicht den Fusions-Generator in der Blæksprutten, fliegen zum Mond und retten die Burschen?«
»Wenn du es so offen sagst, hört es sich völlig verrückt an.«
»Wir leben in einer verrückten Welt. Sollen wir es versuchen? Vielleicht können wir den Minister überreden …?«
»Warum nicht?« Arnie hob seine Tasse. »Also: auf zum Mond!«
9.
»Ich melde mich um 16 Uhr wieder«, sagte Oberst Nartow und schaltete das Funkgerät aus.
Shawkun schlief. Hauptmann Zlotnikow drehte am Empfangsgerät und suchte nach dem Sonderprogramm, das für sie Tag und Nacht ausgestrahlt wurde; ihre Sonnenbatterien lieferten genügend Energie. Zlotnikow verschränkte die, Arme hinter dem Kopf, lehnte sich zurück und summte leise mit. Nartow schaute zu dem blau-weiß gefleckten Globus am schwarzen Himmel auf und wünschte sich sehnlich eine Zigarette.
»Ein Vakuum – wer hätte gedacht, daß es hier so heiß ist«, sagte Zlotnikow.
»Wer hat auch angenommen, daß wir uns hier so lange aufhalten!«
Der Oberst wischte sich mit dem Arm den Schweiß von der Stirn und starrte auf die unveränderte Mondlandschaft hinaus.
Shawkun räusperte sich und öffnete die Augen. »Zu heiß zum Schlafen«, knurrte er.
»Wie lange dauert es noch, bis der Sauerstoff verbraucht ist?«
Nartow zuckte gleichgültig die Schultern und sagte: »Zwei Tage, vielleicht auch drei. Wir wissen’s ganz genau, wenn wir den letzten Zylinder anzapfen.«
»Und was dann?«
»Dann sehen wir weiter«, sagte er in plötzlich aufwallendem Ärger. »Wir werden uns darüber unterhalten, wenn es soweit ist.«
Shawkun glitt aus der Koje und lehnte sich an die Sichtluke, die nicht ganz senkrecht stand. Es war den Männern gelungen, das Mondschiff wieder aufzurichten, indem sie an den beiden anderen Landestützen gruben. Nichts konnte aber den verlorengegangenen Treibstoff ersetzen. Und da war die Erde, so greifbar nahe. Er zerrte die Kamera aus ihrer Halterung und blinzelte durch den Sucher, wobei er das stärkste Teleobjektiv aufsetzte.
»Der Sturm ist abgezogen, und der gesamte Ostseeraum ist wieder frei. Ich glaube, ich kann sogar Leningrad sehen. Dort ist es wolkenlos, die Sonne scheint, wirklich schönes Wetter, und die …«
»Halten Sie den Mund!« sagte Oberst Nartow wütend.
10.
Das graue Wasser der Ostsee rauschte an den Flanken der Vitus Bering entlang und blieb gischtend hinter dem Schiff zurück. Arnie stand an der Reling und genoß die scharfe Morgenluft nach der Nacht in der muffigen Kabine. Die Tür öffnete sich knarrend, und Nils kam an Deck; er gähnte und streckte sich ausgiebig. Seine Augen blitzten lebhaft unter dem Schirm seiner Mütze, die diesmal zu seiner Luftwaffen- und nicht zu seiner SAS-Uniform gehörte, und er blickte sich fachmännisch um.
»Sieht nach gutem Flugwetter aus, Professor Klein.«
»Bitte nennen Sie mich Arnie, Kapitän Hansen. Als Schiffskameraden auf diesem wichtigen Flug sollten wir weniger förmlich sein.«
»Mein Name ist Nils. Sie haben recht. Und, bei Gott, der Flug ist wirklich wichtig; das wird mir jetzt erst so richtig klar. Pläneschmieden ist ja ganz schön, aber der Gedanke, daß wir nach dem Frühstück zum Mond starten und unser Ziel noch vor dem Mittagessen erreichen … das fällt einem doch ein wenig schwer.« Der Gedanke an das Frühstück erinnerte ihn an seinen leeren Magen. »Kommen Sie, essen wir etwas, solange wir noch etwas bekommen.«
Es war
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