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Der Daleth-Effekt

Der Daleth-Effekt

Titel: Der Daleth-Effekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Harrison
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anhalten?«
    »Ich muß auf die Post. Es dauert nur eine Minute«, sagte Martha.
    »Ist es denn so wichtig?«
    »Ich muß einen Film zum Entwickeln schicken.«
    »Was hast du denn gegen den Fotoladen neben dem Krämer in Rungsted?«
    »Das dauert mir zu lange. Ich schicke ihn zu einer Spezialfirma in Kopenhagen. Wenn du es so furchtbar eilig hast, kannst du mich ja bei der Fähre absetzen und allein weiterfahren.«
    Er musterte sie kurz aus den Augenwinkeln, aber sie sah mit ausdruckslosem Gesicht geradeaus.
    »Was soll das? Wir machen Ferien – natürlich warte ich. Ich hätte es nur nicht gern, wenn wir den Stapellauf verpassen – oder den Aufstieg, wenn man so will.«
    Sie mußten am Fähranleger warten, während eine geschäftige kleine Lokomotive mit schwedischen Waggons die Straße überquerte.
    »Schau dir das Arbeitspferd an«, sagte Nils. »Dampf und Öl sickern aus allen Ritzen, aber es schleppt noch immer seine Züge von der Fähre. Weißt du, wie alt die Maschine ist?« Martha wußte es anscheinend nicht, schien sich für die Antwort auch nicht allzu sehr zu interessieren. »Ich werd’s dir sagen. Es steht auf dem Schild am Führerhäuschen. Das alte Ding ist 1892 gebaut worden und macht noch immer seine Arbeit. Wir Dänen werfen eben nichts zum alten Eisen, wenn es noch irgendwie funktioniert.«
    »Im Gegensatz zu uns Amerikanern, die es darauf anlegen, daß ihre Industrieerzeugnisse möglichst schnell auf den Schrottplatz wandern«, sagte sie spitz.
    Er antwortete nicht, steuerte am Bahnhof vorbei, bog in den Jernbanevej ein und hielt vor dem Postamt an der Rückseite des Bahnhofs. Martha nahm ihr kleines Paket und stieg aus. Film. Er fragte sich, wie lange sie ihn schon in der Kamera gehabt hatte. Jedenfalls hatte sie in diesem Urlaub noch keine Aufnahmen gemacht. Ein schöner Urlaub! Er überlegte, was mit ihr los sein mochte, aber es wollte ihm nichts einfallen. Vielleicht war es die Aufregung über die Mondflüge und die Sabotageversuche, die sie beunruhigten. Wie sollte man aus Frauen schlau werden? Komische Wesen, hingen immer ihren Stimmungen nach.
    Nils dämmerte die Wahrheit nicht. An Inger hatte er seit jenem Sonntagnachmittag am Hafen überhaupt nicht mehr gedacht.
     

 
19.
     
    Es war fast Mittag, und hier am Äquator stieg um diese warme Jahreszeit die Temperatur auf fast dreißig Grad unter dem Gefrierpunkt. Das Gebirge, eigentlich die Flanke eines großen, kreisförmigen Kraters, ragte steil aus der Ebene auf. Über der erstarrten Landschaft stand die zusammengeschrumpfte, aber helle Sonne an einem schwarzen Himmel, an dem die helleren Sterne deutlich zu erkennen waren. Nur am Horizont war die Atmosphäre dicht genug, um vor dem dunklen Hintergrund einen dünnen blauen Schleier zu bilden. Die Luft war in ihrer zeitlosen Ruhe so dünn – sie bestand fast nur aus Kohlendioxyd –, daß sie kaum Luft zu sein schien. Und sie war kalt, sehr kalt.
    Die Männer, die sich den steilen Hang hinaufarbeiteten, kamen trotz der niedrigen Schwerkraft nur mühsam voran. Die gut isolierte, elektrisch beheizte Kleidung schränkte ihre Bewegungsfreiheit ein, und die schweren Batteriekästen und Sauerstofftanks machten ihnen sichtlich zu schaffen. Als sie den Kamm erreichten, blieben sie erleichtert stehen, um eine Atempause einzulegen. Ihre Gesichtszüge waren hinter Masken und unförmigen Brillen verborgen.
    »Das war aber … eine ganz schöne Kletterei!« sagte Arnie keuchend.
    Nils’ Gesichtsausdruck war nicht festzustellen, aber seine Stimme klang besorgt. »Ich hoffe, es war nicht zuviel für Sie. Vielleicht hätte ich Sie nicht dazu überreden sollen.«
    »Ist schon gut. Bin nur ein wenig außer Atem. Nur mangelndes Training. Es ist lange her, daß ich so etwas gemacht habe. Aber es hat sich gelohnt, wirklich – ein herrlicher Ausblick!«
    Die stille Landschaft verschlug ihnen die Sprache. Kalt, düster, fremdartig, ein Planet, der nicht gestorben war, weil er niemals gelebt hatte. Die winzige Plastikbaracken-Siedlung tief unten war wie ein heimeliges helles Fenster in der Dunkelheit. Ein Punkt, der Wärme ausstrahlte und Geborgenheit in der ewigen Kälte des Mars.
    Nils hob den Arm. »Sehen Sie, da ist es – wie ich’s Ihnen gesagt habe. Sie können von hier das ganze Gelände überschauen. Da sind die neuen Gebäude, die nach und nach entstehen, und das Landefeld, das hinter der Galathea abgesteckt ist. Im Bedarfsfall können an der Ostseite weitere Gebäude errichtet werden. Es wird

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