Der Daleth-Effekt
trat in das Cockpit und beugte sich zu ihm herab.
»Nichts Besonderes. Macht noch Spaß, aber ich habe dich trotzdem wegen deiner Mond- und Marsreisen beneidet. Meinst du das ernst – mit der Mondstewardessen-Sache?«
»Natürlich.« Er öffnete die beiden Flaschen. »Ist natürlich noch streng geheim, aber man hat wirklich vor, in absehbarer Zeit Passagierflüge zu machen. Das ist einfach unumgänglich.«
Er reichte ihr die Flasche, und sie trat ihm einen Schritt entgegen.
»Skål.«
Ihre Lippen waren voll und glitzerten feucht. Er ließ seine Flasche fallen; sie rollte über den Boden und hinterließ einen hellen Schaumstreifen. Er trat einen Schritt vor und breitete die Arme aus.
Ihre Flasche polterte auf die Planken, begann zu rollen und klirrte gegen die andere.
Arnies Mund war leicht geöffnet, und sein Kopf war auf die Seite gesunken; er atmete tief und regelmäßig. Martha stand langsam auf, um ihn nicht zu wecken. Wenn sie noch länger in der drückenden Hitze des Gartens blieb, würde sie ebenfalls einschlafen, und das wollte sie nicht. Sie ging ins Haus, zog sich eine leichte Strandjacke über und klopfte an Skous Tür. Er blickte durch den Spalt, einen Kopfhörer übergestreift, und winkte sie herein. Er hatte das hintere Schlafzimmer in eine Kommandostelle verwandelt, und der Tisch war voller Telefone und Sendegeräte. Er zischte ein paar Anweisungen und schaltete ab.
»Ich gehe ein wenig zum Hafen«, sagte sie. »Professor Klein schläft hinter dem Haus, und ich wollte ihn nicht stören.«
»Es ist unsere Aufgabe, ihn zu bewachen. Ich sage ihm Bescheid, wenn er aufwacht.«
Es waren nur fünf Minuten zu Fuß. Der Hafen war fast leer, ihre Måge lag verlassen da, Nils war nicht zu sehen.
Vielleicht saß er auf der anderen Straßenseite im Gasthaus bei einem Bier. Aber normalerweise holte er sich ein paar Flaschen an Bord. Wo konnte er also sein? Wahrscheinlich unter Deck.
Sie wollte ihn eben rufen, als sie die beiden Bierflaschen auf dem Boden liegen sah und daneben in der halboffenen Luke ein Stück Stoff – das Oberteil eines Bikinis.
Ihr Herz stockte, sie wußte plötzlich, was sie sehen würde, wenn sie jetzt in die Kabine blickte. Es war ihr, als hätte sie diesen Augenblick irgendwann schon einmal erlebt und als hätte sie die Erinnerung nur immer wieder verdrängt. Ruhig trat sie an den Rand der Mole und beugte sich weit vor. Durch die Tür konnte sie die Steuerbordkoje und Nils breiten Rücken sehen.
Mit ersticktem Aufschrei richtete sie sich wieder auf. Schmerz und Wut stiegen in ihr hoch.
Ihr erster Impuls war, in das Boot zu springen, sich auf die beiden zu stürzen. Sie wollte ihrem ohnmächtigen Zorn Luft machen. Doch in diesem Augenblick hörte sie ein lautes Geräusch, dem ein Schrei folgte. Sie blickte auf.
»Das Segel hängt fest!« brüllte jemand auf dem kleinen Einmaster, der auf die Mole zuhielt.
Martha überschaute mit einem Blick die Situation – ein Mann, der mit den durcheinandergeratenen Leinen kämpfte, eine Frau am Ruder, die ihm etwas zurief, und mehrere Kinder, die nach Seilen grapschten und übereinander stolperten. Normalerweise wäre es ein lustiger Anblick gewesen. Das Boot, das noch zuviel Fahrt hatte, kam näher. Die Frau warf schließlich das Ruder herum.
So traf der Segler nicht mit dem Bug auf, sondern prallte schräg gegen die Mauer und wurde zurückgestoßen. Eines der kleinen Kinder fiel vom Kabinendach auf das Deck und begann angstvoll zu schreien. Das Segel rauschte wild herab, und der Mann kämpfte damit.
Dann verlor das Boot an Schwung und kam schaukelnd zum Stehen. Es war nichts Schlimmes passiert. Das Ganze hatte nur wenige Sekunden gedauert, und Martha setzte den Fuß auf das Boot – hielt dann aber inne. In der kurzen Zeit hatte sich alles geändert. Sie war zwar noch immer erregt, aber die Wut war plötzlich in Haß und Verachtung umgeschlagen. Das kleine Boot wurde ein paar Meter neben der Måge festgemacht. Konnte sie noch in die Kabine gehen und eine Szene machen, wenn diese Familie in der Nähe war? Wozu? Haß erfüllte sie, ja, sie haßte ihn. Sie hätte nie gedacht, daß sie ihn so hassen könnte. Schweratmend wandte sie sich um, begann zu laufen, ging wieder langsamer. Sie rang nach Atem.
Erst als sie vor dem Haus stand, wurde ihr bewußt, daß sie immer noch ihre Sandalen in der Hand trug und daß sie über das rauhe Pflaster des Bürgersteigs gelaufen war. Ihre Fußsohlen schmerzten. Zitternd zog sie die Schuhe an und
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