Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)
persönlichen Gründen und zum Schutz meiner
Familie«. Sie ist heute verheiratet mit einem Mitglied der Geschäftsleitung
einer bedeutenden Schweizer Unternehmensgruppe.
2. Im Land seiner Träume ‒ 1991
bis 1995
Es ist Freitag, der
31. Januar 1992, und der australische Sommer zeigt sich von seiner besten
Seite. Die Temperatur wird im Laufe des Tags angenehme 25 Grad Celsius
erreichen, vom Meer her weht eine angenehme Brise. Elton Martin* ist an diesem
Vormittag auf dem Nachhauseweg von seiner Bank im Zentrum von Manly , einem Vorort im Nordosten Sydneys.
Bei Touristen
und Austauschschülern steht Manly , das auf drei
Seiten vom Meer umgeben ist, hoch im Kurs: Die Häuschen sind hübsch, die
Überfahrt von Manly Wharf ins Stadtzentrum von Sydney
dauert mit der Fähre gerade mal eine halbe Stunde. Im Westen lockt der kilometerlange
Strand, im Osten die Manly -Bucht, in den Cafés im
Städtchen und entlang der Strandpromenaden werden alle möglichen Sprachen
gesprochen. Hier genießen Backpacker aus Deutschland, Aussteiger aus der
Schweiz und Sprachschüler aus Spanien das Leben.
Elton Martin
ist Australier und wohnt ebenfalls in Manly . Er ist
Ende zwanzig und betreibt einen Catering-Service, der täglich die Schauspieler
und Crewmitglieder einer australischen Seifenoper verpflegt. Von Montag bis
Donnerstag kocht Martin am Set von Home and Away . Freitags hat er Zeit, die Vorräte für
die kommende Woche zu besorgen und Behördengänge zu erledigen.
»Es war
purer Zufall, dass ich Henry kennenlernte. Ich betrachtete den Camper in der
Wentworth Street ein wenig genauer, weil er falsch geparkt war und wegen der
Markise, die er über dem Gehsteig ausgefahren hatte. Als Caterer hatte ich
damals selbst so ein Fahrzeug, in dem eine voll ausgestattete Küche installiert
war. Henry kam ums Auto herumgelaufen, stand vor mir und sagte in seiner unnachahmlichen
schnellen Art: › Hello , hello !
Nice? Good ? You like it ?‹ Er war wahnsinnig stolz
auf den Wagen. Ausgesehen hat er, als sei er soeben aus dem Bett gekrochen.
Henry erzählte ungefragt, er sei über Land von Europa gefahren und habe den
Wagen dann nach Darwin, das ganz im Norden von Australien liegt, verschifft.«
Das Auto,
mit dem der 26-jährige Kieber unterwegs ist, ist ein allradgetriebener Nissan Navara King Cab Pick-up, ausgerüstet mit einer Wohnkabine. Der
Verkaufspreis beträgt rund 100.000 D-Mark. Wie kommt Heinrich Kieber zu dem
teuren Wagen, und wie kommt er damit nach Australien?
Ausgesucht
hat sich Heinrich das luxuriöse Gefährt bei der Firma Bimobil in der Nähe von München, bezahlt hat er es jedoch nicht. Das Unternehmen ist
spezialisiert auf derartige Expeditionsfahrzeuge und Camper-Aufbauten. Hier
meldet sich Kieber im Sommer 1991 als Interessent und täuscht Kaufabsichten
vor. Ob er denn, bevor er sich entscheide, eine ausgedehnte Probefahrt machen
könne, erkundigt er sich. Dass Kunden ihr Traumfahrzeug vor einem Kauf erst
einmal für einige Tage oder Wochen zur Probe mieten, ist bei Bimobil an der Tagesordnung. Von daher weckt Kiebers Wunsch
keinen Argwohn.
Den Nissan
King Cab mit Aufbau mietet Kieber vom Ehepaar Ingrid B. und Gerhard O. Gerhard
O. ist Mitarbeiter der Firma Bimobil und betreibt mit
dem Einverständnis seines Arbeitgebers den Verleih von Reisemobilen und
Caravans, wie sie auch Bimobil anbietet. Heinrich
Kieber fliegt von Zürich nach München. Er wird von Gerhard O. am Flughafen
München-Riem bereits erwartet: »Dort erklärte ich ihm etwa eineinhalb Stunden
das Fahrzeug«, erzählt dieser, »und übergab ihm anschließend Wagen und
Schlüssel.« – »Zwei, drei Tage später rief der Herr an. Er sei mit dem Wagen in
die Tschechoslowakei gefahren, wo man ihm das Fahrzeug gestohlen habe. Den
Schaden meldete er bei der Polizei in Plauen, weil die Polizisten dort deutsch
gesprochen hätten«, erinnert sich Ingrid B. Der Polizei übergibt er einen
Zündschlüssel für den Wagen.
Das
Abhandenkommen teurer Westautos in den ehemaligen Ostblockstaaten ist in den
Nachwendejahren Alltag. Stutzig macht die Versicherung jedoch, dass der
Ersatzschlüssel ebenfalls als gestohlen gemeldet wird. »Wir hatten ein
ziemliches Drama mit der Versicherung, die deshalb nicht zahlen wollte«, so
Ingrid B.
Das
Misstrauen der Versicherung ist nicht unbegründet. Denn Heinrich Kieber fährt
in Wahrheit mit dem Auto nach Liechtenstein und versteckt es dort. Auf dem
Bahnhof St. Margrethen setzt er sich in den Zug
und fährt in die
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