Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)
geflogen sei, wo er üblicherweise seinen Wagen während der
Stunden parkte: Jemand habe ihn während des Unterrichts geklaut.« Als Zeuge
muss der Fluglehrer herhalten – wenn auch nicht für den Diebstahl an sich,
sondern lediglich für die Abwesenheit des Nissan Navara King Cab. Im Tagebuch von Elton Martin ist vermerkt, dass Heinrich Kieber
seinen Nissan King Cab am 24. September 1992 als gestohlen meldet.
Im
beginnenden australischen Frühling betätigt sich Kieber zusammen mit seinem
Trauzeugen Frank Fulham als Immobilienmakler: »Er
beteiligte sich finanziell bei Immobilientransaktionen, die wir tätigten.
Soweit wir das beurteilen konnten, hatte Henry immer reichlich Kohle.
Gleichzeitig war er aber auch sehr geizig.«
»Henry hat
sich andauernd Immobilien angesehen, das hat ihn immer interessiert, mich
übrigens auch«, sagt Kiebers Freund Elton Martin. »Darum haben wir uns
gemeinsam nach Häusern umgeschaut und fantasiert. Aber dass er tatsächlich mit
Immobilien gehandelt hat, hat er mir nie verraten.« Welche Summen Kieber in
diese Immobiliengeschäfte investiert, lässt sich nicht feststellen. Überhaupt
bleibt offen, wie der Weltenbummler sein Leben finanziert.
Irgendwann
gegen Ende 1992 verlässt Heinrich Kieber Australien und fliegt nach Europa
zurück. In der Gemeinde Oberglatt beim Zürcher Flughafen trifft er John
Richter, seinen ehemaligen Arbeitskollegen bei Swissair. »Soweit mir das noch
präsent ist«, erinnert sich der, »ist er nur kurz zurückgekommen und nachher
wieder runtergeflogen nach Australien. Er erzählte, er habe da unten ein
Apartment gekauft.«
Dass es
einen handfesten Grund für seine Rückkehr gibt, sagt Kieber nicht: Das Carnet
de Passages für seinen Nissan King Cab ist abgelaufen
– das Papier, das es ihm erlaubte, den 100.000-Mark-Wagen vorübergehend nach
Australien einzuführen, ohne dafür Einfuhrzoll und -steuern entrichten zu müssen.
Da das Fahrzeug nicht fristgerecht wieder aus dem Land ausgeführt worden ist,
will der australische Zoll nun auf die Kaution zurückgreifen, die üblicherweise
für einen solchen Fall hinterlegt wird. Mit der Diebstahlmeldung des Wagens, so
Kiebers Hoffnung, würden auch die Forderungen des australischen Zolls
gegenstandslos.
Kieber
spricht beim liechtensteinischen Automobilclub vor, bei ebenjener
Geschäftsstelle, wo er zuvor das Einfuhrformular für seinen Wagen entwendete.
»Kieber kam zu uns und sagte, sein Auto sei gestohlen worden. Er wolle das über
uns abwickeln«, erinnert sich Gerlinde Eggenberger vom Automobilclub an die
neuerliche Begegnung. »Als wir sein Carnet überprüften, stellten wir sofort
fest, dass das Papier nicht von uns ausgestellt worden war. Die
Schreibmaschinenschrift passte nicht, und unser Stempel fehlte. Ich frage mich,
wie er damit überhaupt die Grenzen passieren konnte. Er konnte hervorragend auf
Leute einreden, vielleicht hat ihm das ja geholfen am Zoll. Er war ein
Zappelphilipp und völlig aufgedreht. Auch auf mich hat er eingeredet, aber
überzeugen konnte er mich nicht.«
Auch in
anderer Hinsicht hält der Liechtenstein-Trip für Kieber Unannehmlichkeiten
bereit. Zu Beginn des Jahres 1993 hält sich der spanische Immobilienhändler Mariano
M., den Kieber aus Barcelona kennt, gemeinsam mit einer Begleiterin
geschäftlich in Zürich auf: »Ich war in der Schweiz, um einige Investitionen im
Auftrag zweier Herren mit Vornamen Jesus und José zu tätigen. Aufgrund der
geografischen Nähe kamen wir auf die Idee, Herrn Kieber zu besuchen. Wir
unternahmen alles Mögliche, um seinen Aufenthaltsort in Liechtenstein ausfindig
zu machen, fanden aber nur heraus, dass sein Vater bei der Firma Hilti
angestellt sei – was uns an der bisher behaupteten Identität Heinrichs zweifeln
ließ.«
Nach langem
Hin und Her kommen Mariano M. und Kieber doch noch zusammen: »Heinrich setzte
sich in unserem Hotel mit uns in Verbindung, hielt indessen hartnäckig daran
fest, der Hilti-Erbe zu sein.« Um seine Reputation als angeblicher
Hilti-Sprössling wiederherzustellen, geht Kieber aufs Ganze: »Heinrich kam nach
Zürich und beteiligte sich mit zehn Millionen Peseten an den Investitionen, die
José eingefädelt hatte. Ich garantierte Kieber den Gegenwert in Schweizer
Franken, sollte die Operation schieflaufen, was dann auch der Fall war, so dass
ich ihm den entsprechenden Betrag wenige Tage später aushändigte. Während der
Abwicklung dieser Deals wurden weitere zehn Millionen Peseten für neuerliche
Investitionen
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