Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)
benötigt, die Kieber wiederum binnen weniger Stunden aufgetrieben
hatte. Und ich gab ihm erneut mein Ehrenwort, sie ihm ungünstigenfalls zurückzuerstatten.«
Worum es bei
den angeblichen Investitionen genau ging, darüber hüllt sich Mariano M. in
Schweigen.
Heinrich
Kieber schildert die dubiosen Geschäfte mit Mariano M. und den Herren José und
Jesus später seinem Freund Walter Schneider: »Heinrich prahlte damit, dass er
da einen Geldwechselauftrag habe. Die wollten heiße Lire oder unsaubere Peseten
zu einem super Preis kaufen und später bei einer Bank in der Schweiz wechseln.
Jedenfalls hat Heinrich da eigenes Geld drin gehabt, weil sein Freund Mariano
nicht so viel Cash auftreiben konnte. Die Übergabe sollte irgendwo an der
Autobahn im Tessin oder in Norditalien stattfinden – oder hat eben nicht
stattgefunden. Weil das Ganze ein Betrug war. Sie haben, wenn ich mich richtig
erinnere, nur Zeitungspapier erhalten, also vielleicht noch mit ein paar
Scheinen obendrauf. Dafür haben Heinrich und der Mariano ein paar
hunderttausend Franken bezahlt. Die ganze Situation auf der Autobahnraststätte
sei aus irgendeinem Grund eskaliert und jeder sei dann in irgendeine Richtung
geflüchtet.«
Für Kieber
einmalig, hatte er sich für die Aktion auf der Autobahn mit einer Pumpgun bewaffnet. Später versucht er diese bei Schneider
loszuwerden: »Die Pumpgun hat er mir nach der Aktion
gezeigt und gefragt, ob ich sie nicht kaufen wolle. Er brauche sie jetzt nicht
mehr.«
Nur wenige
Tage nach dem missglückten Geldwechselgeschäft auf der Autobahn dreht Kieber sein
nächstes Ding. Eine wesentlich weniger spektakuläre Nummer zwar, aber
erfolgreich. Und dennoch kommt man ihm dabei auf die Spur. Günther Walch, ein
alter Kumpel von Kieber, erinnert sich: »Kieber hatte immer Zigaretten. Alle
aus seinem Bekanntenkreis kauften bei ihm. Selbst raucht er nicht, er trinkt
auch keinen Alkohol. Sein Zigi -Handel lief sicher
zwei, drei Jahre lang.« Doch nun bekommt Walch Besuch von der Zürcher
Kantonspolizei. Walchs Auto ist im Zusammenhang mit einem größeren
Zigarettendiebstahl in einem Geschäft in Liechtenstein aufgefallen. Walch
selbst, der ebenfalls in der Nähe des Zürcher Flughafens wohnt, war am
fraglichen Tag nicht mit seinem Wagen unterwegs gewesen: Er hatte ihn Kieber
ausgeliehen. »Als die Kantonspolizei sich bei mir meldete, war Heinrich aber
schon wieder in Australien.«
Auch wenn
sie seiner nicht habhaft werden kann: Seit dem 9. März 1993 ist Heinrich
Kieber bei der liechtensteinischen Polizei aktenkundig wegen des
Zigarettendiebstahls im Lebensmittelladen an der Landstraße 180 in der Gemeinde
Triesen.
Was treibt
Heinrich Kieber dazu, sich an einem Tag mit international operierenden
Betrügern einzulassen und am nächsten Tag wie ein Kleinkrimineller stangenweise
Zigaretten zu klauen? Hat Kieber all seine Ersparnisse in den
Zeitungspapier-Schwindel von José und Jesus gesteckt? Braucht er dringend
Bares, um wieder in sein geliebtes Australien zurückkehren zu können? Womöglich
markiert die Aktion auf der Autobahnraststätte für Kieber und seinen
kriminellen Werdegang eine Art Scheidelinie: Er ist ein guter Gauner, aber ein
schlechter Gangster und legt darum die Waffe beiseite.
Am
23. März 1993 landet Qantas -Flug 178 von Seoul
kommend in Sydney mit Heinrich Kieber an Bord. Trotz des sonnigen und warmen
Wetters im australischen Herbst ist Kiebers Stimmung gedrückt. Weder die
Tatsache, dass er wieder zurück in seinem Traumland ist, noch sein Freund Elton
Martin können ihn aufheitern: »Als Kieber 1993 nach Sydney kam, war er eine
andere Person.« Der immer fröhlich herumkaspernde Kieber ist ganz verstockt,
einsilbig, schlecht gelaunt und läuft herum mit zusammengekniffenen Lippen. Das
ist kein Wunder: Mariano M. hat sein Erspartes verjuxt ,
und die australischen Behörden wollen Geld für den Import des Campers sehen.
Woher Kieber
schließlich das Geld nimmt, um die Forderung des Zolls zu befriedigen, bleibt
unklar. Jedenfalls hellt sich seine Laune in Australien nach einiger Zeit
merklich auf: »Er existiert! Er existiert! Ich sage dir, Gott existiert
wirklich!«, jubelt Kieber gegenüber seinem Freund Elton Martin. »Für ihn war
das ein Gottesbeweis – als die Versicherung ihn endlich für den gestohlenen
Wagen entschädigt hatte.«
Ab Mitte
1993 widmet Kieber seinen Flugstunden und der theoretischen Ausbildung mehr
Aufmerksamkeit. Die nötige Ruhe dazu findet er bei Margaret Thompson,
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