Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)
Partei glaubt nicht an einen Sieg. Aber
dann erscheint am Tag des Urnengangs frühmorgens im Liechtensteiner Volksblatt ein
Interview mit Fürst Hans-Adam II. In der von der Bürgerpartei kontrollierten
Tageszeitung empfiehlt das Staatsoberhaupt seinen Untertanen unverhohlen die Abwahl Brunharts . Die offizielle Begründung: Seit der
Staatskrise im Oktober 1992 habe er kein Vertrauen mehr in ihn. Illustriert
wird das prominent aufgemachte Interview mit einem Bild vom Fürsten, neben ihm
auf dem Sofa sitzend – als wäre es die normalste Sache der Welt – der
Regierungschefkandidat Markus Büchel. Dazu die Bildlegende: »›Ich habe mir sehr
wohl überlegt, ob ich Herrn Brunhart noch einmal zum Regierungschef ernennen
solle‹: Fürst Hans-Adam II. gestern im Gespräch mit Volksblatt -Redakteur Martin Frommelt
und Regierungschef-Kandidat Markus Büchel.«
Das
Interview zeigt die gewünschte Wirkung: Prompt gewinnt die Bürgerpartei die
Wahl und stellt mit Büchel den neuen Regierungschef Liechtensteins. Ganz
nebenbei hat der Fürst erfolgreich die politische Karriere Hans Brunharts beendet und sich für die Demütigung vom Oktober
1992 gerächt. Es wird nicht die einzige fürstliche Vergeltungsaktion bleiben.
Nach nur
einem halben Jahr an der Macht verzweifelt die Fortschrittliche Bürgerpartei an
ihrem komplett überforderten Regierungschef Markus Büchel und fordert ihn zum
Rücktritt auf. Der denkt gar nicht daran, seinen eben erst eroberten Sessel zu
räumen. Am 14. September 1993 tritt deshalb das Parlament zusammen, um dem
noch amtierenden Regierungschef mit einer Mehrheit von 17 Stimmen das Vertrauen
zu entziehen. Nun kann der Landtag dem Fürsten einen Antrag auf Amtsenthebung
des Regierungschefs stellen. Fürst Hans-Adam nimmt dankbar die nächste
Gelegenheit wahr, die Politik für ihr ungebührliches Verhalten bei der
Staatskrise 1992 abzuwatschen : Er geht über den
Amtsenthebungsantrag hinweg, löst stattdessen das Parlament auf und belässt
Büchel bis zu den Neuwahlen Ende Oktober 1993 im Amt.
Als
Gegenleistung zeichnet Büchel dem Fürsten das Hausgesetz der Familie
Liechtenstein gegen – womit dieses nun gleichberechtigt und rechtlich bindend
neben der Verfassung steht. Im Hausgesetz regelt das Fürstenhaus – nicht das
Volk, nicht das Parlament – die Thronfolge, das Stimmrecht innerhalb des
Familienrates (Frauen haben kein Stimmrecht) und disziplinarische Maßnahmen
gegen sich unbotmäßig verhaltende Mitglieder der von-Liechtenstein-Sippe.
Im Jahr 1995
holt Fürst Hans-Adam dann zu einem weiteren Schlag aus. Er macht dem
Präsidenten der liechtensteinischen Verwaltungsbeschwerdeinstanz, ebenjenen
Herbert Wille, in einem Brief klar, von wessen Gnaden sein Posten beim höchsten
Verwaltungsgericht des Landes abhängt: »Ich möchte Ihnen rechtzeitig mitteilen,
dass ich Sie nicht mehr für ein öffentliches Amt ernennen werde, sollten Sie
vom Landtag oder sonst irgendeinem Gremium vorgeschlagen werden.« Auslöser des
fürstlichen Schreibens ist ein Vortrag, den Herbert Wille im Februar 1995
gehalten hat, in dem er als Rechtswissenschaftler die Auffassung vertrat, der
liechtensteinische Staatsgerichtshof – das höchste Gericht des Landes,
vergleichbar dem Bundesverfassungsgericht – sei die zuständige Instanz, wenn
über die Auslegung einzelner Bestimmungen der Verfassung Zweifel entstünden und
nicht durch Übereinkunft zwischen Fürst und Volk/Landtag beseitigt werden
könnten.
Herbert
Wille war während der Staatskrise im Oktober 1992 Innenminister in
Liechtenstein und verantwortlich für die Festlegung des Termins der
Volksabstimmung über den Beitritt Liechtensteins zum Europäischen Wirtschaftsraum
und damit – in der fürstlichen Lesart – eine jener Personen, die dem Fürsten
Schmach zugefügt hatten. Wille klagt nun wegen des vom Fürsten ausgesprochenen
Banns gegen ihn vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auf
Verletzung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung.
1997 wird
Wille vom Parlament für eine zweite Amtsperiode zum Präsidenten der
Verwaltungsbeschwerdeinstanz gewählt – vom Fürsten aber, wie angekündigt,
nicht ernannt. Zwei Jahre später erhält der in fürstliche Ungnade gefallene
Herbert Wille vor dem Europäischen Gerichtshof in Straßburg dann vollumfänglich
recht: Willes Recht auf freie Meinungsäußerung sei verletzt worden. Weiter
beanstandet Straßburg, dass es in Liechtenstein keine innerstaatliche
Beschwerdemöglichkeit gegen Akte
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