Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)
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Eher
beiläufig erwähnt Kieber in dem langen Schreiben, dass er im vergangenen Jahr
eine vollständige Kopie aller Daten der LGT Treuhand in seinen Besitz gebracht
und darüber hinaus eine Reihe von Originaldokumenten entwendet habe. Die
angesprochenen Länder würden sich zweifelsohne für diese Daten interessieren.
Um zu
verdeutlichen, dass er es ernst meint, hebt Kieber verklausuliert den einen
oder anderen Kunden der LGT Treuhand hervor, den er im umfangreichen Portfolio
der gestohlenen Daten ausfindig gemacht hat: »Den (politischen wie
wirtschaftlichen) Chef einer der größten deutschen Staatsfirmen und Arbeitgeber
und Inhaber einer sehr vermögenden LGT-Treuhand-Stiftung will ich hier erst gar
nicht namentlich erwähnen.« [134]
Schließlich
verlangt Kieber vom Fürsten zwei Schutzidentitäten. Denn, so schreibt er, es
sei das größte Risiko für die fürstlichen Daten, dass er in eine
Polizeikontrolle gerate – insbesondere in Deutschland, wohin er sich bereits
abgesetzt hat. »Würden die Deutschen versuchen mich festzuhalten, werde ich
versuchen, in eine US-Einrichtung (Botschaft oder Konsulat) zu gelangen.« [135] Die auf falschen Namen ausgestellten Pässe soll der Fürst an die
LGT-Niederlassung in Frankfurt schicken lassen.
So rasch
bringt den Fürsten von Liechtenstein nichts aus der Ruhe. Er erhält eine Menge
Post von seinen Untertanen. Mal lobend, mal mahnend, mal jammernd, mal
unterwürfig – aber immer geschrieben in der Absicht, sich der Gunst des
Staatsoberhauptes zu versichern. Im fürstlichen Sekretariat pflegt man einen
routinierten Umgang mit derartiger Post: eine kurze Bestätigung des Eingangs
verbunden mit dem Dank des Fürsten – so wie auch Kieber abgefertigt wurde, als
er im Jahr zuvor dem Staatsoberhaupt Konfitüre aufs Schloss brachte. Das
38-seitige Erpresserschreiben landet umgehend auf dem Tisch des Leitenden
Staatsanwaltes Robert Wallner: »Der Landesfürst hat das Schreiben postwendend
der Polizei geschickt, die am gleichen Tag einen Ermittlungsbericht an uns
verfasst hat.«
Jules Hoch
ist Leiter der liechtensteinischen Kriminalpolizei. Gemeinsam mit dem erpressten
Unternehmen LGT leiten er und seine Kriminalbeamten erste Ermittlungen ein:
»Treffen die Angaben, die Herr Kieber zu seinem Diebstahl gemacht hat, zu?
Könnte es sich so verhalten? Ist es erfunden? Das waren die ersten Fragen, die
sich uns stellten«, erklärt Jules Hoch. »Dann fragten wir uns, ob man den
Aufenthaltsort Kiebers feststellen kann, um seiner habhaft zu werden.«
Der
Neujahrsempfang auf Schloss Vaduz wird von der Fürstenfamilie und ihrem
Personal professionell abgewickelt. Nach dem Austausch der Neujahrswünsche
mischt sich der Fürst, ein Lächeln auf den Lippen, das Bierglas in der Hand,
unter die geladenen Gäste, prostet dem Landtagspräsidenten Klaus Wanger zu,
plaudert mit Regierungschef Otmar Hasler und scherzt mit Erzbischof Wolfgang Haas.
Dass dem fürstlichen Wirtschaftsimperium, ja dem gesamten Finanzplatz
Liechtenstein eine Katastrophe ungeahnten Ausmaßes droht, ahnen noch die
wenigsten.
Die
LGT-Task-Force tritt umgehend zusammen. Diese besteht aus Pius Schlachter, seit
2001 Mitglied der Geschäftsleitung der LGT Bank in Liechtenstein und zuvor
Leiter der LGT Treuhand, Thomas Piske , dem
Vorsitzenden der Generaldirektion der LGT Bank in Liechtenstein, und
LGT-Treuhand-Geschäftsführer Nicola Feuerstein. Schließlich wird auch die
liechtensteinische Regierung über den Fall informiert. Den wenigen eingeweihten Personen ist klar, dass es die ultimative
Katastrophe für Liechtenstein wäre, sollte Kieber tatsächlich im Besitz des
gesamten Archivs der LGT Treuhand sein und seine Drohung wahr machen, die
brisanten Daten zu veröffentlichen. Das Fürstentum hat sich von der BND- Spiegel -Affäre
noch nicht erholt. Ein weiterer Hieb – diesmal, im Gegensatz zum
dilettantischen BND-Bericht, mit garantiert echten Informationen aus dem Herzen
des prominentesten Treuhandunternehmens Liechtensteins – könnte dem Finanzplatz
das Genick brechen.
Heinrich
Kieber erpresst Fürst Hans-Adam mit den Geschäftsgeheimnissen des Unternehmers
Hans-Adam von Liechtenstein. In seinem umfangreichen Dossier, auf das man sich
nun in Vaduz einen Reim zu machen versucht, entschuldigt sich Kieber beim
Fürsten einleitend dafür, ausgerechnet ihn als Opfer seiner Erpressung
ausgesucht zu haben: »Sie und Ihre LGT können ja gar nichts dafür. Das
Schicksal will es, dass Sie nun doch involviert
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