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Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)

Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)

Titel: Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigvard Wohlwend
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getroffen zu werden.
    Während die
Schlacht um die Verfassung noch tobt, versucht der Fürst, das lästige Problem
Kieber in den Griff zu bekommen. Die IT-Spezialisten der LGT schließen zunächst
kategorisch aus, dass jemand sämtliche Daten hat entwenden können. Auch
innerhalb der LGT-Task-Force zweifelt man daran, dass Kieber die Daten hat,
schließlich hat er keinen Beweis geliefert, keine Muster mitgeschickt, sondern
lediglich eine Aufstellung ohne Namen und ohne Belege. Es ist die einzige
Hoffnung, die sie noch hegen können: dass Kieber blufft.
    Heinrich
Kieber ist in Berlin untergetaucht. Er wohnt zur Untermiete in der Ansbacher
Straße, Ecke Geisbergstraße , ein paar Hundert Meter
südlich des Wittenbergplatzes: »Wie bei meinen Erkundungsausflügen kreuz und
quer durch Berlin in den letzten Tagen, hatte ich auch jetzt meine
elektronischen Datenspeicher auf mir, in den Taschen. Die kiloweise Papierdaten
waren aber im blauen Handkoffer im Schrank im Zimmer verschlossen.« [139]
    In
Liechtenstein zieht der Krisenstab derweil einen Experten hinzu, der die
Gefährlichkeit Kiebers beurteilen soll: den Kriminalpsychologen Thomas Müller
aus Wien. Der knapp vierzigjährige Müller hat hart an seinem Ruf gearbeitet,
der Mann für exakte Täterprofile zu sein. In den 1990er Jahren hatte der ehemalige
Tiroler Streifenpolizist ein präzises Täterprofil vom österreichischen
Terroristen und Bombenleger Franz Fuchs erarbeitet, der unter anderem mit einer
Sprengfalle vier Roma tötete. Bei einem anderen Attentat von Fuchs wurde der
damalige Wiener Bürgermeister Helmut Zilk schwer verletzt. Gefasst wurde Fuchs
allerdings nicht wegen Müllers Profil, sondern bei einer Routinekontrolle,
nachdem zwei Frauen, die sich von einem Mann verfolgt gefühlt hatten, die
Polizei riefen. Bei der Kontrolle sprengte sich der Mann die Hände weg. Erst da
wurde den Polizisten klar, dass sie mit Franz Fuchs den langgesuchten
Bombenleger vor sich hatten.
    Seither
lässt sich Müller, unter Hinweis auf sein exaktes Profil von Fuchs, von den
Medien als Star unter Europas Kriminalpsychologen feiern – als den Mann, der
die Methoden des FBI nach Europa brachte, um die widerlichsten Verbrecher zur
Strecke zu bringen. Allerdings: Sein Business will, anfänglichen Erfolgen zum
Trotz, nicht abheben, weshalb der Profiler von Gewalttätern und Tatorten ein
neues Geschäftsmodell entwickelt, das finanziell wesentlich lukrativer und
nicht auf die Konjunktur von Schwerverbrechern angewiesen ist. Müllers neues
Business ist die Beratung von Unternehmen in Sachen Workplace Violence , also bei Gewalt
und destruktivem Handeln am Arbeitsplatz. Seine Rezepte gegen Workplace
Violence sind nicht sonderlich spektakulär und finden auch Niederschlag im
Karriereteil der Frauenzeitschrift Woman : »Chefs müssen sich
mehr in ihre Mitarbeiter hineindenken. Sie müssen dafür sorgen, dass sich die
Belegschaft mehr mit ihrem Job identifizieren kann.« [140]
    Aber Müllers
Charme und seine launigen Vorträge finden ein begeistertes Publikum, das sich
wohlig gruselt, wenn der Profiler von seinen Begegnungen mit den übelsten
Serienmördern dieser Welt erzählt, um dann unbemerkt auf sein neues, wesentlich
weniger spektakuläres Tätigkeitsfeld überzuleiten, bei dem er aus Gründen der
Diskretion keine saftigen Details preisgeben darf. Firmenchefs lieben es, wenn
etwas von Thomas Müllers internationalem Glanz auf sie abfällt. Der
Kriminalpsychologe wird von Unternehmen und Organisationen mit Anfragen zu
Vorträgen und Workplace-Violence-Aufträgen überhäuft.
    Bereits am
11. Januar, wenige Tage nachdem der Erpresserbrief eingegangen ist, trifft
Thomas Müller in Liechtenstein ein. Er wird von Fürstenhaus, Regierung, LGT und
Polizei gebrieft , um sich umgehend mit dem Erpresser
auseinanderzusetzen. Der Profiler und der Erpresser sind fast gleichaltrig,
Müller ist 39, Kieber ein gutes Jahr jünger. Müller wälzt Kiebers
Gerichtsakten, analysiert das Erpresserschreiben, durchforstet sein
Personaldossier und erstellt ein erstes vorläufiges Profil des Täters.
    Die
LGT-Task-Force hält sich nicht an Kiebers Anweisungen, überliest in der Flut
von mehr oder minder wichtigen Informationen, die auf den 38 Seiten einstreut
sind, wesentliche Einzelheiten, so dass in den folgenden Tagen keine
vernünftige Kommunikation zwischen Vaduz und Berlin zustande kommt. Erst
nachdem Kieber am 15. Januar 2003 dem Fürsten von Berlin aus E-Mails aufs
Schloss schickt, in denen er

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