Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)

Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)

Titel: Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigvard Wohlwend
Vom Netzwerk:
ausgeprägteres Sicherheitsdenken erwarten können. Kieber
hätte noch am Tag der Kündigung freigestellt werden müssen. Immerhin operieren
viele Kunden der LGT Treuhand – aus der Perspektive der meisten westlichen
Staaten – durch die Inanspruchnahme der steueroptimierenden Dienstleistungen
des Treuhandunternehmens in der Illegalität.
    Und
zweitens: Ging die LGT Treuhand derart fahrlässig mit den sensiblen Daten um,
dass ein Mitarbeiter, der soeben gekündigt hat, Daten mitgehen lassen kann, die
das Geschäftsmodell des Finanzplatzes Liechtenstein begründen (Liechtenstein
gewährt gegen Entgelt garantierte Anonymität gegenüber den deutschen,
britischen, australischen oder US-amerikanischen Steuerbehörden)?
    Heinrich
Kieber muss realistischerweise davon ausgegangen
sein, dass er mit dem Tag der Kündigung bei vollem Lohn freigestellt wird,
weshalb er den Datendiebstahl schon vorher begehen musste. Dazu kommt: Ganz so
einfach, wie Kieber es darstellt, kann es nicht gewesen sein. Dass er einfach
so eines Nachmittags mit einem kleinen Back-up-Tape in der Tasche nach Hause
spazierte, ist unglaubwürdig. Kieber hat nämlich aus dem Archiv der LGT
Treuhand auch eine große Menge an Originaldokumenten und Urkunden gestohlen,
nach eigenen Angaben über zweitausend Blatt. [127]
    Bestenfalls
könnte man Kieber zugute halten , dass er sich zu
Beginn seiner Operation aus den Originalpapieren im Archiv bediente,
feststellte, nun genügend Papiere gestohlen zu haben, und dann kündigte – und
dass sich im Nachhinein die Gelegenheit bot, das Back-up-Band einzustecken – in
dem Augenblick, als er seine schwindenden Chancen vor Gericht erkannte.
    Wie man den
Diebstahl von Dokumenten und Daten auch dreht und wendet: Die LGT Treuhand
bekleckerte sich in Sachen Datensicherheit gewiss nicht mit Ruhm.
     
    Das Wetter am Freitag, dem
8. November 2002 passt zur Jahreszeit. In der Nacht ist es kalt geworden,
die Mittagspitze liegt in den schweren Wolken, aus denen feuchter Schnee auf
Balzers fällt.
    Es sind noch
drei Wochen bis zu Kiebers letztem Arbeitstag bei der LGT. Auf der Titelseite
vermeldet das Liechtensteiner
Vaterland : »LGT Group goes Switzerland«. Für das Wochenende ist in der Zeitung ebenfalls schlechtes Wetter
vorhergesagt: »viele Wolken, ausgiebige Regenfälle, kräftiger Wind, örtlich
Hochwasser«. In Kiebers Briefkasten liegt eine Benachrichtigung der Post: Auf
dem Postamt seien zwei eingeschriebene Sendungen für ihn abholbereit.
    Das eine
Schreiben ist vom fürstlichen Landgericht: Der Untersuchungsrichter stellt auf
Antrag der Staatsanwaltschaft »nach Durchführung gerichtlicher Vorerhebungen in
der Strafsache gegen a) Mariano M., b) Helmut R.« die Untersuchung ein. Das
andere Schreiben, das Kieber an diesem nasskalten Novembertag am Postschalter
gegen Unterschrift ausgehändigt wird, kommt direkt von der Staatsanwaltschaft und
bringt Heinrich Kieber in Rage: »Der Umschlag enthielt eine fixfertige Anklage
gegen mich (Wohnungskauf in Spanien 1996). Ich war sprachlos. Nur Gott weiß
genau, warum Staatsanwalt Haun, vom Teufel geritten, mich verbissen wegen
Barcelona verurteilt sehen möchte.« [128]
    Kieber hat
keine Zeit mehr zu verlieren, er muss die Zelte abbrechen. »Henry witzelte«,
sagt sein Freund Sandro Bertini, »er habe Fingerasthma, ihm sei die
Teilzeitanstellung zu anstrengend. Deshalb habe er gekündigt und die Möbel aus
der Wohnung verkauft. Er gehe nach Fiss in Tirol zum
Skifahren. Darüber konnte ich nur schmunzeln, denn ich wusste ja, das Henry
nicht Skifahren kann.«
    Michael
Konzett tischt er eine andere Geschichte auf: »Er könne es mit seinem sozialen
Gewissen nicht vereinbaren, weiter bei der LGT zu arbeiten. Er arbeite so
schnell, wie er spreche, so seine Aussage. Das heißt, so seine Erklärung, er
erledige in derselben Zeit gleich viel Arbeit wie drei bis vier Familienväter.
Darum habe er sich dazu entschlossen, seinen Job aufzugeben, um Stellen für
Familienväter zu schaffen. Da haben wir ihn kräftig ausgelacht. Wobei: Das war
schon auch ein bisschen sein Humor.«
    Eines Tages
im Spätherbst 2002 knattert Kieber in seinem alten roten VW-Bus durch
Liechtenstein und befreit sich von seiner Habe. Den ersten Stopp mit dem
vollgepackten VW-Bus macht er bei Anna Hämmerle, die mit Kieber einst zur
Schule ging. »Er stand bei mir vor dem Haus und fragte, ob ich Möbel gebrauchen
könne. Henry riss die Seitentür vom VW-Bus auf, und ich konnte mir aussuchen,
was ich wollte. Ich

Weitere Kostenlose Bücher