Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)
öffentlichen
Diskussionsrunde am 17. Januar 2002 in Vaduz sein Volk an, die fürstlichen
Verfassungsvorschläge anzunehmen: »Denn ohne Fürst sind wir nichts!« [136]
Wahr ist, dass
das Selbstwertgefühl der Liechtensteiner in diesen Tagen und Monaten zu Beginn
des Jahres 2003 stark angeschlagen ist: Auf der weltpolitischen Bühne steht die
Invasion des Irak durch internationale Truppen kurz bevor; die Börsen erreichen
nach dem Platzen der Dotcom-Blase täglich neue Tiefststände und hinterlassen in
den Bilanzen der heimischen Banken und Treuhänder üble Löcher. Auch die
anhaltende Kritik von Deutschland, Frankreich, OECD und FATF an Liechtensteins
Geschäftsmodell ist nicht spurlos am Fürstentum vorbeigegangen.
Im
abgelaufenen Jahr betreuten die Banken im Fürstentum Kundenvermögen in Höhe von
96 Milliarden Franken, ein Rückgang von beinahe 20 Prozent seit 2000. Der
Reingewinn der Banken in Liechtenstein ist förmlich eingebrochen auf 250
Millionen Franken – die Hälfte dessen, was sie im Rekordjahr 2000 abschöpfen
konnten. Die schwierige wirtschaftliche Situation hinterlässt in der
Haushaltsbilanz 2002 ihre Spuren. Zum ersten Mal seit vielen Jahren schließt
der Haushalt mit einem Minus ab – in Höhe von 47 Millionen Franken. [137]
Wirklichen
Grund zum Jammern hat man in Liechtenstein aber nicht: Nach wie vor herrscht
Vollbeschäftigung. Die Arbeitslosenquote liegt konstant unter zwei Prozent. [138] Die Wirtschaft brummt, Industrie, Gewerbe und Finanzbranche suchen händeringend
nach Arbeitskräften. Insgesamt arbeiten in Liechtenstein fast 29 000
Menschen – 13 000 davon fahren jeden Tag aus Vorarlberg, der Ostschweiz
und dem Bodenseeraum zur Arbeit ins kleine Fürstentum, wo die höchsten Löhne in
der Region bezahlt werden.
Damit das so
bleibt, ist es zwingend notwendig, dass der Fürst den Liechtensteinern erhalten
bleibt. Denn erst mit dem Zuzug des Fürsten vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs
habe sich Liechtensteins Wirtschaft zu dem entwickelt, was es heute ist – so
jedenfalls die Logik der Befürworter der fürstlichen Verfassungsvorschläge.
Tatsächlich haben findige Ingenieure die Basis für Liechtensteins Industrie und
schlaue Juristen die Grundlagen des Finanzplatzes erarbeitet. Dazu kommt ein
gehöriges Quäntchen Glück – das Glück, den Krieg dank der Nähe zur Schweiz
unbeschadet überstanden zu haben.
Die
Reduktion der komplexen Verfassungsmaterie auf ein simples »Ja zum Fürstenhaus«
samt der Drohung, dem Land im Falle einer Niederlage an der Urne den Rücken zu
kehren (»ohne Fürst sind wir nichts«), zeigt Wirkung: »Wahlvolk von
Liechtenstein gibt Fürst Hans-Adam II. mehr Macht«, meldet die Deutsche
Presseagentur am Sonntag, dem 16. März 2003, dem Tag der Abstimmung, kurz
nach 16 Uhr. Am nächsten Tag ist Liechtensteins Revolution von oben Topthema in
den Medien rund um den Globus. Das Spektrum reicht von Verwunderung bis hin zu
Fassungslosigkeit: »Die demokratische Krönung eines ›absolutistischen
Monarchen‹«, titelt etwa der französische Le Figaro .
Die
fürstliche Entourage argumentiert, dass die Volksrechte sehr wohl gestärkt
worden seien. Mit der Annahme der fürstlichen Verfassungsvorschläge sei nämlich
auch Artikel 113 in Kraft getreten, in dem die Möglichkeit zur Abschaffung der
Monarchie vorgesehen ist. Dass das vorgesehene Verfahren absurd kompliziert ist
und der Fürst eine vom Parlament erarbeitete republikanische Verfassung durch
das Einbringen eines eigenen Vorschlags jederzeit torpedieren könnte,
verschweigen die Fürsprecher der Verfassungsreform wohlweislich.
An solchen
Details hält sich der Fürst nicht mehr auf. Mit der Annahme der neuen
Verfassung durch sein Volk, so verkündet er, sei er der erste demokratisch
legitimierte Monarch der Welt. Seine Überlegung ist die folgende: Solange die
Monarchie vom liechtensteinischen Volk nicht abgeschafft ist, sind er und seine
künftigen Thronerben demokratisch legitimierte Herrscher des Fürstentums.
Aufkeimende Kritik an fürstlichen Entscheidungen werden Hans-Adam und seine
treue Gefolgschaft in den kommenden Jahren mit dem Hinweis auf die
demokratische Legitimation des Monarchen im Ansatz ersticken. Dies jeweils mit
der Auskunft, dass, wer mit seinen Entscheidungen nicht einverstanden sei, ja
eine Initiative zur Abschaffung der Monarchie starten könne. Wirklich
aufzubegehren traut sich kaum mehr jemand in Liechtenstein, zu groß ist die
Angst, vom Bannstrahl des Fürsten
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