Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)
habe dann einen Blumenständer, die Garderobe und ein
Bügelbrett mitgenommen. Henrys Bügelbrett kann ich dann ja irgendwann ins
Landesmuseum geben.«
Schließlich
verabschiedet sich Heinrich Kieber Ende November 2002 bei seinen
Arbeitskollegen bei der LGT Treuhand AG, darunter ist auch seine Nachbarin
Karin Senti aus Balzers.
»An seinem
letzten Arbeitstag«, erzählt sie, »schenkte er allen Frauen auf der Treuhand
einen kleinen Kaktus.«
7. Auf der Flucht vor dem Fürsten ‒ 2003
Auf Schloss Vaduz bereitet man
sich auf den traditionellen Neujahrsempfang vor, der am Donnerstag, dem
9. Januar 2003 stattfinden wird. Beim ersten gesellschaftlichen Anlass des
Jahres defilieren Liechtensteins Würden- und Ordensträger am Staatsoberhaupt
vorbei, um mit ihm die besten Wünsche fürs neue Jahr auszutauschen.
Anschließend mischen sie sich unter die 400 Gäste und betreiben bei Weißwein
und Häppchen Smalltalk.
Einen Tag vor
dem Neujahrsempfang wird beim Sekretariat des Fürsten von Liechtenstein ein
ungewöhnliches Paket abgegeben: darin eine quadratmetergroße Platte, auf der
eine Modelllandschaft aufgebaut ist. Dominiert wird das Arrangement von einem
runden Turm mit Anbau. Im Innern des Miniaturhauses steht ein kleines
Miniaturbettchen, davor liegt ein kleines Kettchen, dessen eines Ende an der
Innenwand des Häuschens befestigt ist. Im Hintergrund grasen kleine Modellkühe.
Kieber hat dem Fürsten das Modell seines argentinischen Verlieses geschickt.
Der Fürst
lässt die akkurat gestaltete Miniaturlandschaft im Müll entsorgen.
Das ist
bereits die zweite Sendung mit Absender Heinrich Kieber, die in diesem noch
jungen Jahr auf Schloss Vaduz eintrifft. Am Vortag lag im Sekretariat des
Fürsten ein umfangreiches Konvolut, adressiert an das Staatsoberhaupt:
»Vielleicht erinnern Sie sich an mich. Ich habe Ihnen einen Grußbrief im Januar
2002 auf das Schloss gebracht und auch ein Glas Ihrer Lieblingskonfitüre –
schwarze Kirschen. So wie man Ihre direkte Sprache kennt, will auch ich
versuchen, ohne Umschweife kurz und bündig aufzuschreiben, was ich mitteilen
möchte.« [129] Insgesamt umfasst der Brief Heinrich
Kiebers an den Fürsten 38 Seiten – Beilagen nicht mitgerechnet.
»Dass Sie
Durchlaucht diesen Brief samt den Unterlagen in den Händen halten, liegt daran,
dass ich von der liechtensteinischen Justiz, insbesondere von der
Staatsanwaltschaft, trotz der erdrückenden Beweise und massiver Widersprüche seitens
der Beschuldigten billig im Stich gelassen worden bin. In den vergangenen sechs
Jahren hatte die FL-Justiz viele aufgestaute Strukturprobleme zu bereinigen. So
mussten Sie ja unter anderem den Sonderstaatsanwalt Doktor Spitzer einsetzen.
Mein Fall ist komplizierter als jene Fälle, die mit dem Finanzplatz
Liechtenstein zu tun hatten/haben. Die Justiz musste wohl Prioritäten setzen.
Wie so oft hat sich auch hier gezeigt, dass wenn es um materielle Dinge (sprich
Geld) geht oder wenn das Ansehen unseres Landes gefährdet ist, dann ist man fix
und schnell. Wenn es ums Blut geht, wenn das Opfer ein niemand ist, dann, ja
dann muss man warten, warten, warten.« [130]
Kieber will Gerechtigkeit
im Argentinienfall und orientiert sich am Krisenmanagement Liechtensteins nach
dem Bekanntwerden des BND-Dossiers: »Ich bitte Sie, einen Sonderstaatsanwalt zu
ernennen« – der sich intensiv mit seinem Fall befassen soll »und die Befugnis
erhält, gemäß dem Gesetz zu agieren«. [131] Auch müsse sich ein außerordentliches,
unabhängiges Richtergremium seines Zivilfalles annehmen. Denn zwischenzeitlich
ist Kieber in zweiter Instanz dazu verurteilt worden, fast 800.000 Schweizer
Franken an Helmut R. zu zahlen wegen der ergaunerten Wohnung in Barcelona.
Gegen das Urteil des Obergerichts vom Oktober 2002 hat Kieber Revision beim
Obersten Gerichtshof Liechtensteins eingelegt.
Um seinen
Forderungen Nachdruck zu verleihen, skizziert Kieber die Konsequenzen, falls
ihm der Fürst nicht zu Diensten sein sollte: »Wenn mir Liechtenstein nicht
helfen kann, meine Folterer zu gerechten Strafen zu verurteilen, werde ich mich
zuerst an die USA wenden. In den USA gibt es spezielle Gesetze, die eine
Verurteilung von Tätern selbst dann ermöglicht, wenn die Tat im Ausland geschah
und keine der involvierten Personen US-Bürger sind.« [132] Oder an Deutschland: »Ich bin sicher, eine deutsche Zuständigkeit ergibt sich
dadurch, dass der Haupttäter im Argentinienfall, der Verbrecher R., ein
Deutscher ist.«
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