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Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)

Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)

Titel: Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigvard Wohlwend
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in
Deutschland, in der Höhle des Löwen, aufbewahren will.
    Hier in
Monnickendam hat sich Kieber übers Internet ein Zimmer im Flowergarden reserviert. Der Flowergarden ist ein kleines Bed and Breakfast, das in der Margrietstraat liegt, in einer schmucken niederländischen
Reihenhaussiedlung aus zweigeschossigen grauen Klinkerhäusern mit kleinen
Gärtchen davor. Im Garten hinter dem Haus wird der Flowergarden seinem Namen gerecht: Hier sorgt Gastgeberin June Goede in der warmen Jahreszeit mit ihrer Blumenpracht für einen wahren Farbenrausch.
Gegenüber June Goede nennt sich Heinrich Kieber
Claudio: »An seinen Nachnamen kann ich mich nicht erinnern. Claudio war ein
großer, sehr höflicher Mann, der sich immer an die Hausregeln hielt. Er war
immer furchtbar nervös, und die ganze Zeit plapperte er. Ich erinnere mich, wie
ein Gast ihn eines Morgens zurechtwies mit den Worten: ›Wenn Sie die Klappe
halten würden, könnte ich endlich mein Frühstück essen.‹ Da hat er mir
furchtbar leidgetan. Mein Mann und ich haben uns aber auch gefragt, ob Claudio
wohl ganz richtig im Kopf ist.« Kieber ist ein ungewöhnlicher Gast im Flowergarden ,
denn schon am ersten Tag zahlt er sein Zimmer für einen Monat im Voraus.
    In den
ersten Tagen in den Niederlanden bemüht sich Kieber um ein Bankfach, um seine
wertvollen Datenträger sicher zu lagern. Vergeblich: »Als Nicht-EU-Bürger und
ohne Aufenthaltsbewilligung in Holland war es mir unmöglich, ein Konto zu
eröffnen, die Voraussetzung für eine Safemiete .« [143] Laptop, DLT-Tape, Festplatten und Papierdokumente verstaut er darum in seinem
Koffer, »den ich ganz hinten im eingebauten Kleiderschrank verstaute«. [144]
    Nachdem
Kieber sich im Flowergarden eingerichtet
hat, fährt er nach Amsterdam, wo er von einem Internetcafé aus nach zwei Wochen
Funkstille wieder ein Lebenszeichen an den Fürsten schickt. Während der
kommenden beiden Wochen tauschen Kieber und der Fürst schriftliche Nachrichten
aus. Das funktioniert so: Kieber hat ein Webmail-Konto eingerichtet. Möchte er
dem Fürst eine Nachricht hinterlassen, schreibt er eine Mail und legt sie im
Entwurfsordner ab. Der Fürst hat von Kieber das Passwort für das Konto
erhalten. Will er Kiebers Nachrichten lesen, loggt er sich ein und schaut in
den Entwurfsordner. Keine von Kiebers Nachrichten verlässt also jemals das
Postfach – und da sie nicht gesendet werden, können sie auch nicht abgefangen
und mitgelesen werden.
    Ende Februar
haben sich die beiden Parteien darauf verständigt, dass sich Bankdirektor Pius
Schlachter Anfang März mit Kieber zu einem Vier-Augen-Gespräch treffen wird.
Wo, das will Kieber dem Bankdirektor zu gegebener Zeit mitteilen.
Kriminalpsychologe Müller gibt aufgrund der bisherigen intensiven Kommunikation
zwischen dem Fürsten und Kieber eine neue Einschätzung ab. In seiner aktuellen
Analyse relativiert er die anfänglich befürchtete Gefährlichkeit des
Erpressers. Weil sich Heinrich Kieber kooperativ verhält und ein Treffen
bevorsteht, beschließt der Krisenstab, Druck aus der Fahndung zu nehmen.
    Dann ziehen
sich Staatsanwaltschaft und Polizei aus dem Krisenstab zurück. Seit Ausbruch
der Kieber-Krise leiden die Vertreter des liechtensteinischen Justizapparates
unter argen Gewissensnöten, da sie sich dem politisch erwünschten Vorgehen zu
beugen haben und nicht auf der Basis üblicher zwischenstaatlicher
Zusammenarbeit operieren können. Die Justizbehörden sind heilfroh, sich dem
undankbaren Fall nicht mehr widmen zu müssen. Der Spagat zwischen
Strafverfolgungs-, Staats- und Unternehmensinteressen hat vorerst ein Ende.
    Von nun an
sind zwei Personen operativ mit dem Projekt Datenklau betraut: Bankdirektor
Pius Schlachter, der als Verbindungsmann zu Kieber agiert, und
Kriminalpsychologe Thomas Müller, der im Hintergrund für die LGT-Task-Force
Strategien entwickelt, Analysen vornimmt und Verbindungsmann Schlachter für die
geplanten Treffen mit Kieber coacht.
    Heinrich
Kieber beschreibt das erste Treffen mit Pius Schlachter folgendermaßen: Am
Abend vor der ersten Zusammenkunft habe er Bankdirektor Schlachter instruiert,
am folgenden Morgen nach Amsterdam zu fliegen. Er selbst werde aus einer
anderen Stadt ebenfalls dorthin reisen. Finale Anweisungen zum Treffpunkt
erhalte Schlachter telefonisch in Amsterdam. Dort habe er, Kieber, den
Bankdirektor auf eine Grachtenfahrt geschickt, während er selbst von Land aus
beobachtete, ob jemand dem Boot folge und Schlachter tatsächlich

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