Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
Vom Netzwerk:
man hört ihn nicht.
    Solange man also nur plaudert und plappert, lässt sich jede
    »das/dass«-Schwäche verbergen. Erst wenn’s ans Schreiben
    geht, zeigt sich, ob man den Stiel vom Stängel unterscheiden
    kann. Doch selbst routinierte Schreiber und Literaten haben
    mitunter ihre liebe Not damit. Sogar den Argusaugen
    erfahrener Lektoren und Korrekturleser entschlüpft das
    glitschige Detail bisweilen, sodass es immer wieder zu
    gedruckten Aussagen kommt wie dieser:
    »Heino gab Siegfried ein geweihtes Medaillon des heiligen
    Paters Pio für dessen Freund Roy, dass den Zauberer bei sei-
    nem Heilungsprozess unterstützen soll.«
    Rührend zwar, diese selbstlose Weihegabe Heinos, doch
    falsch das »dass« hinterm Komma. Dabei ist es im Grunde
    ganz einfach. Trotzdem geraten »dass« und »das« immer
    wieder durcheinander, so wie auch in diesem Beispiel:
    »Bislang galt die Lehrmeinung, das die Natur diesem Säu-
    reangriff nicht hilflos gegenübersteht. Tatsächlich wirkt
    Speichel wie ein natürlicher Verdünner für die Säuren und
    kann ihr Erosionspotenzial herabsetzen.«

    Obacht, der Text geht noch weiter:
    »Speichel und gewisse Nahrungsmittel wie etwa Milch und
    Käse enthalten auch Kalzium und Phosphor, sodass man
    bisher davon ausging, dass diese Mineralien den erweichten
    Zahnschmelz wieder remineralisieren, dass heißt, diesen
    wieder härten.«
    Nachdem der Verfasser zu Beginn eindeutig zu geizig mit
    dem Doppel-»s« umgegangen ist, sind zum Schluss des Ab-
    satzes offenbar die Gäule mit ihm durchgegangen. Dass das
    nicht»dass heißt« heißt, sondern dass das»das heißt« heißt,
    liegt daran, dass wir es beim »das« mit einem Pronomen zu
    tun haben.
    Das einfache »das« ist schon für sich allein genommen
    sehr vielseitig. Es kann sächlicher Artikel sein (»das Ding«,
    »das Zauberbuch«, »das Universalgenie«), es kann Demons-
    trativpronomen sein und für »dies« oder »dieses« stehen
    (»Das wünsch ich dir«, »Das war hervorragend!«, »Kennst
    du das auch?«), und es kann als Relativpronomen fungieren,
    gleichbedeutend mit »welches«: »Ein Thema, das alle gleich-
    ermaßen interessiert, gibt es nicht«, »Nicht alle asiatischen
    Länder sind so gut dran wie Japan, das zu den sieben reich-
    sten Industrienationen der Welt zählt«.
    Wann immer man also anstelle von »das« auch »dies« oder
    »welches« sagen könnte, ist es ein Pronomen und wird genau
    wie der Artikel nur mit einem »s« geschrieben. Im Land der
    Schwaben kennt man noch eine andere Faustregel: Wann
    immer man auf Schwäbisch »des« sagen kann, schreibt man
    »das«, ansonsten »dass«: »Dass des so schwer sei soll, des
    versteh inet!«
    »Das Hubble-Weltraumteleskop hat in Hunderten von
    Erdumrundungen ein Bild aufgenommen, dass das Weltall in
    seiner frühen Jugend zeigt.«
    Richtig oder falsch? Richtig ist, wenn Sie auf »falsch« ge-
    tippt haben! Denn hier könnte man auch sagen:»... ein Bild

    aufgenommen, welches das Weltall in seiner frühesten Ju-
    gend zeigt.« Und damit ist klar, dass es sich bei dem ersten
    »das« um ein Pronomen handelt.
    Hieße der Satz aber so: »Mit Hunderten von Bildern hat
    das Hubble-Weltraumteleskop bewiesen, dass das Weltall in
    seiner frühen Jugend sehr viel dichter war als heute«, dann
    wäre das »dass« korrekt, denn dann handelt es sich um eine
    Konjunktion.
    Eine Konjunktion ist ein »Bindeglied«, ein Wort, das (=
    welches) Satzteile oder Sätze miteinander verbindet. Die
    berühmteste Konjunktion ist »und«, über den verbindenden
    Charakter dürften keine Zweifel bestehen. Neben »und« gibt
    es mindestens drei Dutzend weiterer Bindewörter, und
    »dass« gehört dazu.
    Die verwirrende Gleichheit zwischen der Konjunktion und
    dem Pronomen ist übrigens keinesfalls ein exklusives
    Phänomen der deutschen Sprache. Auch in anderen Sprachen
    spielen kleine Wörtchen eine solche Doppelrolle. Doch das
    Deutsche scheint die einzige Sprache zu sein, die zwischen
    der Konjunktion und dem Pronomen eine ortho-grafische
    Unterscheidung vornimmt. Im Englischen gibt es »that« und
    »that«, im Niederländischen »dat« und »dat«, im
    Französischen »que« und »que« − jeweils als Konjunktion
    und als Relativpronomen, jeweils gleich ausgesprochen und
    gleich geschrieben.
    Manch einer hatte gehofft, der Unterschied zwischen dem
    Pronomen »das« und der Konjunktion »dass« würde mit der
    Rechtschreibreform abgeschafft. Doch das war nicht der
    Fall. Der

Weitere Kostenlose Bücher