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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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ausge-
    dachten Ableitungen befindet. Die Grundannahme lautet:
    Was wäre, wenn es im Deutschen nur starke (also unregel-
    mäßige) Verben gäbe? Wie hörte sich das an? Und so tum-
    meln sich auf der Liste so herrliche Formen wie »bescheren,
    beschor, beschoren«,»herrschen, harrsch, gehorrschen«und
    »schimpfen, schampf, geschompfen«. Mein Favorit ist »fau-
    lenzen«, das im Präteritum zu »lonz faul« und im Perfekt zu
    »faulgelonzen« wird.
    Unsere Sprache hat bekanntermaßen kein in Beton gegos-
    senes, unveränderliches Fundament. Vielmehr gleicht sie ei-
    nem Sumpf, einem Treibsand oder einem mit Tiefen und
    Untiefen gesegneten See, der von einer Eisschicht bedeckt
    ist, die wir »Standarddeutsch« nennen. Wie dünn diese Eis-
    schicht ist, erfuhr ich erst kürzlich wieder, als ich mit einem
    alten Bekannten telefonierte. Auf meine harmlose Frage
    »Und, wie läuft’s so bei euch beiden?« antwortete er: »Dan-
    ke, kann nicht klagen, wir sind ganz gut ins neue Jahr gestar-
    ten!« Nachdem ich aufgelegt hatte, setzte ich mich an mei-
    nen Schreibtisch. Was tat ich dann? Ach ja, ich habe den
    Monitor eingeschalten und den Computer gestarten, um eine
    Geschichte zu schreiben über seltsame Arten und noch
    seltsamere Unarten des Perfekts.

    Zum Eingefrieren ungeeignet?
    Frage einer Leserin aus Hannover: Mein Sohn ist heute mit
    einem Diktat nach Hause gekommen, in dem unter anderem
    der folgende Satz enthalten war:»... das zum Eingefrieren
    verwendet werden kann.« Google kennt ca. 2000 Einträge
    für»eingefrieren«, aber korrigiert mich: Meinten Sie:
    »einfrieren«? Bitte helfen Sie mir, ich wüsste gerne, ob die
    Lehrerin einen Fehler gemacht hat!
    Antwort des Zwiebelfischs: Wenn man darüber nach-
    denkt, was alles einfrieren kann und was sich alles einfrie- -
    ren lässt, so stellt man fest, dass es eine grundsätzliche Un-
    terscheidung zu treffen gilt zwischen der intransitiven und
    der transitiven Form des Wortes »einfrieren«. Im ersten Fall
    friert etwas selbst ein (zum Beispiel eine Wasserleitung), im
    zweiten Fall wird etwas eingefroren − Fleisch oder Gemüse
    zum Beispiel oder diplomatische Beziehungen.
    In dem zitierten Diktat ging es offenbar um die zweite Form
    − bei der Dinge wörtlich oder im übertragenen Sinne »auf Eis
    gelegt« werden. Der Duden kennt für diesen Vorgang sowohl
    »einfrieren« als auch »eingefrieren«, wobei er die zweite
    Form als Nebenform der ersten ausweist. Ich selbst kenne in
    diesem Zusammenhang nur den Ausdruck »einfrieren«. Aber
    das muss nichts heißen. Ich bin ein Nordlicht, und als solches
    lasse ich mich immer wieder gern überraschen von den
    vielfältigen Variationen, die der Süden zu bieten hat.
    So ist im Badischen und im Schwäbischen das Wort »ei-
    gfriere «(also»eingefrieren«) gebräuchlich, wenn’s ums Tief-
    kühlen von Lebensmitteln geht − im Unterschied zum »Ei-
    friere« (Einfrieren) der Zehen oder Finger an kalten Tagen.
    In der Pfalz sagt man entsprechend »oigfriere«, und in Bay-
    ern »eing’frian«. Im süddeutschen Raum ist übrigens auch

    das kuriose Wort»aufgefrieren«bekannt − in der Bedeutung
    »auftauen«.
    Zwar spricht man allgemein von »Gefrierschrank« und
    »Gefrierbeuteln« − es käme wohl niemand auf die Idee,
    »Frierschrank« oder »Frierbeutel« zu sagen. Die gängige
    Verbform im Hochdeutschen lautet indes »einfrieren«.

    Weil das ist ein Nebensatz

    Sprache ist ständig neuen Moden unterworfen. Manches verschwin-
    det nach einiger Zeit wieder − manches aber hält sich und wird
    irgendwann sogar amtlich. Einer der größten »Hits«, den die Um-
    gangssprache je hervorgebracht hat, ist die Abschaffung des Neben-
    satzes hinter Bindewörtern wie »weil« und »obwohl«. Eine gramma-
    tische Revolution − oder bloß grober Unfug?

    Freitagabend. Ich treffe mich mit Freunden im Lokal, um das
    Wochenende einzuläuten. Philipp und Maren sind da, und
    schließlich stößt auch Henry noch dazu. »Habt ihr schon
    bestellt?«, fragt er. »Nein, haben wir noch nicht«, sagt
    Philipp, »weil wir haben auf dich gewartet!«
    »Das ist nett«, sagt Henry, »aber kein Grund, die Inversion
    zu vernachlässigen. Weil: Ich kann’s wirklich nicht mehr
    hören!« Philipp zuckt die Schultern: »Ich kenne nur die In-
    vasion in der Normandie, aber das hat hiermit vermutlich
    nichts zu tun − obwohl... bei dir kann man das ja nie so ge-
    nau wissen.«Henry seufzt und vertieft sich in die Speisekarte.
    Maren

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