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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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festzustellen: Im Norden und im Osten dominieren
    die Ableitungen des Wortes Griebs, im Westen sind es Nüs-
    sel (mit weichem »s«-Laut) und Kitsche, in der Mitte Grütze
    und im Süden Butzen. Dazwischen aber gibt es mannig-
    faltige Variationen, die teils Abwandlungen der genannten
    Hauptformen sind, teils auf einen völlig anderen (Apfel-
    baum-) Stamm zurückgehen. Manche klingen putzig, andere
    ein bisschen eklig, was dem Charakter des Apfelrestes ja
    genau entspricht. Die größte Artenvielfalt in Deutschland
    bietet Nordrhein-Westfalen. Allein aus dem Siegerland
    wurden mir 17 verschiedene Begriffe gemeldet. Beeindru-
    ckend ist auch der Reichtum an Varianten, den man im Land
    der Schweizer finden kann. Das kann ich mir nur so erklä-
    ren: Nachdem Wilhelm Teil den Apfel vom Kopf seines
    Sohnes geschossen hatte, stürzte ein jeder, der den Schuß

    mit angesehen hatte, auf den zerborstenen Apfel und nahm
    ein Stückchen an sich, um es zu sich nach Hause in sein
    Tal zu tragen und ihm einen eigenen Namen zu geben. Wäh-
    rend sich die in Deutschland geläufigen Begriffe in männ-
    liche (der Griebsch, der Butzen, der Kitsch) und weibliche
    (die Kitsche, die Kröse, die Krotze) aufspalten, sind die
    Schweizer Varianten durchgehend sächlich (das Bütschgi,
    das Gräubschi).
    Neben all den vielen Begriffen brachte die Erhebung auch
    noch die amüsante Erkenntnis mit sich, dass sich die »Zwie-
    belfisch«-Leser grundsätzlich in zwei Kategorien einteilen
    lassen: nämlich in diejenigen, die den Rest des Apfels weg-
    werfen, und diejenigen, die den Apfel vollständig aufessen.
    Viele Leser schickten mir auch gleich noch die in ihrer Re-
    gion übliche Bezeichnung für die Brotrinde mit − auch für
    diesen Nahrungsrest scheint es eine erstaunliche Vielzahl
    von Begriffen zu geben. Dazu lohnt sich bestimmt einmal
    eine weitere Leserbefragung. Was für den Apfel gilt,
    gilt übrigens gleichermaßen für die Birne. Alle Bezeichnungen
    für den abgenagten Rest der Frucht lassen sich statt mit
    »Apfel« genauso mit »Birnen« zusammensetzen: Birnen-
    griebsch, Birnenbutzen, Birnenkitsche und so weiter.
    Immer wieder kam es vor, dass Leser mit Nachdruck be-
    teuerten, die von ihnen genannte Bezeichnung sei die einzige,
    die in ihrer Region gebräuchlich sei, und kurz darauf traf
    eine weitere E-Mail aus derselben Region ein, die ein völlig
    anderes Wort als das einzige dort verbreitete ausgab. Mitun-
    ter wohnten die Absender nur wenige Kilometer voneinander
    entfernt. Daraus kann man eigentlich nur folgern: Wir
    sollten mehr mit unseren Nachbarn reden!
    Natürlich stellte sich auch die Frage, wie denn − neben all
    den vielen regionalen Formen − die »offizielle« hochdeutsche
    Bezeichnung lautet. »Kerngehäuse« ist zweifellos ein
    hochdeutsches Wort, aber es bezeichnet nur das Innere der

    Frucht. Griebsch/Butzen/Kitsche/Nüssel − oder wie im-
    mer man es nennen will − umfasst mehr: nämlich auch den
    Stengel (Stängel) und die Blüte. Die Antwort auf diese Frage
    lieferten die Leser gleich mit; sehr viele Zuschriften began-
    nen nämlich mit Formulierungen wie »Bei uns sagt man
    zum Apfelrest auch...«oder»Ein anderes Wort für den Ap-
    felrest ist...«. Zahlreiche E-Mail-Schreiber aus den unter-
    schiedlichsten deutschsprachigen Regionen haben es intuitiv
    niedergeschrieben, also könnte das Wort »Apfelrest« als der
    gemeinsame hochdeutsche Nenner angesehen werden. Noch
    steht es zwar nicht im Duden, aber vielleicht findet es
    aufgrund dieser Untersuchung Eingang in die nächste Neu-
    auflage.
    Ich schließe mit einem Gedicht, das mir Leser Rudolf
    Kleinert aus Bad Reichenhall geschickt hat. Es stammt von
    dem Arnsberger Fritz Ottensmann, der es im Jahre 1946 bei
    der Abiturfeier in Wennigloh vortrug:

    Adam und Eva
    Sie aß vom Apfel erst das Beste,
    geht mit dem Nüsel dann zum Mann
    und dreht die kümmerlichen Reste
    noch voller List dem Adam an.
    Doch wo wären wir Männer heut ohne diese?
    Nach der Bibel zu schließen im Paradiese.
    In der nachstehenden Tabelle sind die Begriffe zusammen-
    gestellt, die mir die Leser zugeschickt haben. Sollten Sie eine
    Variante vermissen, so bitte ich um Nachsicht. Diese Auf-
    listung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die
    Sprachforschung zum Apfelrest ist ein unerschöpfliches
    Gebiet, das sicherlich ein ganzes Buch füllen könnte. Um es
    mit den Worten Fontanes zu sagen: »Ach, Luise, lass... das
    ist ein zu weites Feld!«

    Fünf Wörter auf

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