Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition)
Wörter »Schmiss« (Narben von Gesichtswunden, die Verbindungsstudenten sich beim Fechten beibrachten) und »schmissig«. Daneben entwickelte sich »schmeißen« auch als schwaches Verb (schmeißen, schmeißte, geschmeißt) in der Bedeutung »Kot auswerfen«. Der Wortstamm findet sich heute noch in den Begriffen Schmeißfliege und Geschmeiß. Seine Nähe zur Sudelei verwehrte »schmeißen« den Aufstieg von der Umgangssprache in die gehobene Sprache. Daran hat sich bis heute nichts geändert; noch immer klingt die beliebte Frühstücksaufforderung »Schmeiß mal die Butter rüber« nicht nur unverhältnismäßig, sondern – zumindest für feine Ohren – auch unappetitlich.
Auch die Formulierung »jemanden rausschmeißen« zeugt nicht eben von sprachlicher Eleganz. Wer die Sprache zu seinem beruflichen Werkzeug zählt (wie etwa Journalisten), der sollte darauf achten, den täglich zu vermeldenden »Rausschmiss« von Trainern, Vorständen und Behördenleitern in einen »Rauswurf« abzuwandeln. Dasselbe gilt auch für andere umgangssprachliche Ausdrücke. So werden Gewinne nicht »aufgefressen«, sondern »aufgezehrt«, und eine »dahingerotzte Bemerkung« klingt besser, wenn sie »dahingesagt« ist. Ein Journalist, mit dem ich mich über die Qualität des Wortes »Rausschmiss« unterhalte, vertritt die Meinung, dass »Rausschmiss« gepfefferter klingt als »Rauswurf«. Letzteres sei ihm manchmal etwas zu harmlos, sagt er. »Du würdest doch aber auch nicht Ausdrücke wie verarschen und bescheißen schreiben«, wende ich ein. Nein, erwidert er, das sei ja Vulgärsprache. Aha. Schmeißen ist es auch, nur weiß das heute anscheinend kaum noch jemand. Aber ist Unkenntnis ein Argument für Unbedenklichkeit?
Das Wort »kriegen« ist ebenfalls umgangssprachlich, auch wenn es auf das standardsprachliche Wort »Krieg« zurückgeht. Es bedeutete ursprünglich »streben«, »sich bemühen«, »sich anstrengen«, so wie der »Krieg« zunächst vor allem eine »Anstrengung« bedeutete. Später wurde »kriegen« im Sinne von »erhalten«, »bekommen« verwendet, was ja auch nahe liegt; denn wer etwas bekommen will, der muss sich in der Regel dafür anstrengen. Auch wenn das Wort im Niederdeutschen (krīgen) und Niederländischen (krijgen) nichts Unschickliches hatte und hat, so galt es im Hochdeutschen immer als zweite Wahl. Natürlich würde kein noch so sprachpenibler Arzt die Behandlung verweigern, wenn der Patient ihm sagte: »Hilfe, Herr Doktor, ich kriege keine Luft mehr!« Und niemand im Büro würde Anstoß an der Wortwahl nehmen, wenn jemand entnervt ausriefe: »Ich krieg die Krise!« Aber in wohlgesetzter Rede ist »bekommen« vorzuziehen. »Schröder kriegt Doktorwürde verliehen« dürfte in keiner Zeitungsredaktion als gutes Deutsch durchgehen. Und »Jubel in Norwegen: Prinzessin Mette-Marit kriegt ein Baby« klingt nicht eben königlich. Besonders hässlich gerät das Verb im Perfekt: »Schau, was ich zum Geburtstag gekriegt habe.«
Fazit: »Schmeißen« und »kriegen« sind heute keine »Bäh«-Wörter mehr, gelten aber immer noch als umgangssprachlich. Wenn gepflegter Ausdruck verlangt ist, sollte man sich besser an »werfen« und »bekommen« halten.
Wie heißt der Bürgermeister von Wesel?
Die Einwohner von Münster sind keine Münsterer, sondern Münsteraner, und gebürtige Kasseler werden auch Kasselaner genannt. Die Ableitungen von Städtenamen bereiten gelegentlich Probleme; doch wer sich nicht zurechtfindet, braucht nicht zu verzagen: Die Einwohner sind sich mitunter selbst nicht einig, wie sie sich nennen sollen.
»Guten Tag, ist dort die Hannoveraner Aids-Beratungsstelle?« – »So ungefähr, hier ist die Hannöversche Aids-Hilfe e. V.!« – »Wie bitte? Hannoverische Aids-Hilfe?« – »Nein, hannöversch, mit ö!« – »Hannöver? Ich wollte aber mit jemandem von der Beratungsstelle in Hannover sprechen! Bin ich da jetzt falsch verbunden?« – »Nein, Sie haben richtig gewählt, unser Verein heißt offiziell Hannöversch, aber das ist dasselbe wie hannoverisch.« – »Ja, warum haben Sie das denn nicht gleich gesagt?!«
Es gibt Menschen, die behaupten, außer der Messe habe Hannover nicht viel zu bieten. Das ist freilich Ansichtssache. Was die Möglichkeiten der Namensableitungen betrifft, sticht Hannover die meisten anderen Städte in Deutschland aus, denn da hat es nicht weniger als fünf Varianten zu bieten. Die Bürger Hannovers können sowohl als hannoverische oder hannoversche
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