Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition)
Bürger wie auch als hannöverische oder hannöversche Bürger durchgehen. Und manche nennen sich auch »Hannoveraner Bürger«, auch wenn dies in den Ohren vieler Hannoveraner falsch klingt.
Generell aber sind die Formen auf -er auf dem Vormarsch – in unzähligen Fällen haben sie dem Adjektiv auf -isch bereits den Rang abgelaufen. Wer würde statt von Wiener Schmäh und Berliner Schnauze heute noch von »wienerischem Schmäh« und »berlinerischer Schnauze« sprechen? Oder vom »lübschen Holstentor«? Die Hansestadt Lübeck kennt nicht weniger als drei Ableitungen: von lübeckisch über lübisch bis zu lübsch. Trotzdem heißt es Lübecker Bucht und Lübecker Marzipan. Die Adjektivformen, insbesondere die beiden kürzeren, sind aus der Mode geraten.
Mit den unflektierbaren Nominalformen à la Lübecker, Berliner und Wiener wähnt man sich auf der sicheren Seite: Sie sind bequemer, kürzer und leichter auszusprechen als die Adjektive mit ihrem nuscheligen Sch-Laut am Ende.
Verunsicherung bereitet indes die Frage, wann man dem Bewohner nur ein -er anhängt und wann ein -aner, -iner oder -ser. Die Regel hierzu lautet: Städtenamen, die auf einem unbetonten -er enden, erhalten in der Ableitung ein -aner, um eine Doppelung der Silbe -er zu vermeiden. Also Münsteraner statt Münsterer, Jeveraner statt Jeverer.
Die Stadt Leer mogelt da ein bisschen. Zwar endet auch ihr Name auf -er, aber nicht mit einer unbetonten Silbe. Dennoch ist es den Bewohnern von Leer lieber, Leeraner genannt zu werden. Dafür gibt es einen guten Grund: Wer sich mit den Worten »Ich bin Leerer« vorstellt, könnte fälschlicherweise für einen Lehrer gehalten werden.
Die Verwendung von -aner ist allerdings deutlich zurückgegangen, und der Duden vermerkt, dass sie in keinem Fall unbedingt nötig sei. Wer also den salzgitterschen Bürgermeister einen Salzgitterer nennt, wird zwar von einigen Salzgitteranern strenge Blicke ernten, aber für einen Stadtverweis reicht es nicht mehr aus.
In den Medien ist immer mal wieder von einem »Zuffenhausener Sportwagenbauer« die Rede, vor allem dann, wenn gerade händeringend ein Synonym für Porsche gesucht wird. Das soll Sachkenntnis vortäuschen (Seht, ich kenne mich aus in der Branche, ich weiß, dass Porsche in Zuffenhausen sitzt!), beweist aber in Wahrheit vor allem Ortsunkenntnis. Denn die Einwohner Zuffenhausens nennen sich selbst nicht Zuffenhausener, sondern Zuffenhäuser. Dafür sind die Bewohner von Oberhausen nicht Oberhäuser, sondern Oberhausener. Da kenne sich einer aus! Ortsnamen auf -hausen, -kirchen, -hagen und -hofen/-hoven können unterschiedliche Ableitungen haben, der Duden empfiehlt, man richte sich am besten nach den jeweils ortsüblichen Formen.
Es kann durchaus passieren, dass einem die falsche Ableitung richtig übel genommen wird. Angeblich reagieren die Badener äußerst empfindlich, wenn sie Badenser genannt werden, noch dazu mit Betonung auf der zweiten Silbe: Bade-nser. Historisch gesehen ist »Badenser« allerdings keine Verunglimpfung, so wurden die Bewohner des früheren Landes Baden üblicherweise genannt. Wer im Umgang mit ihnen nicht baden gehen will, hält sich heute besser an die Form »Badener«.
Unter einem (Sachsen-)Anhaltiner verstand man früher lediglich ein Mitglied der fürstlichen Familie, die Ableitung »Anhalter« hingegen bezog sich auf das Land. Daher hieß und heißt der berühmte Bahnhof in Berlin auch »Anhalter Bahnhof« und nicht »Anhaltiner Bahnhof«. Heute sind Sachsen-Anhaltiner dasselbe wie Sachsen-Anhalter, nämlich alle Bewohner des Bundeslandes Sachsen-Anhalt. Ein Bedeutungsunterschied existiert ebenso wenig wie eine überzeugende Begründung, warum nur das eine oder das andere richtig sein sollte.
In Sachsen-Anhalt leben unter anderem an die 240 000 Hallenser, so nennen sich die Einwohner der Stadt Halle an der Saale. In Westfalen gibt es ebenfalls einen Ort namens Halle, doch dessen Bewohner nennen sich Haller. Stellen Sie sich eine Halle voller Hallenser und Haller vor – was gibt das für ein Hallo!
Die Ableitung -aner kommt übrigens nicht nur bei Städtenamen, die auf -er enden, zum Einsatz, sondern auch bei einigen, die auf -el enden. Neben der Form »Weseler« findet man für die Einwohner der Stadt Wesel auch noch die Bezeichnung »Weselaner«, allerdings deutlich seltener, was die These belegt, dass die »-aner«-Formen insgesamt auf dem Rückzug sind. Wer die berühmte Echo-Testfrage »Wie heißt der Bürgermeister
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