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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 2: Folge 2 (German Edition)

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 2: Folge 2 (German Edition)

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 2: Folge 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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Inzwischen hat »mäßig« sämtliche Bereiche unserer Gesellschaft erfasst. Es treibt sich im Sport herum (»Das heimische Team muss sich angriffsmäßig schon etwas einfallen lassen, um das Bollwerk zu knacken«), es wabert durch die Wirtschaft (»Die Zuwachsraten lagen auch im vergangenen Jahr im guten zweistelligen Bereich: umsatzmäßig wie auch renditemäßig«) und ist selbstverständlich auch in der Politik anzutreffen, wo man sich ausdrucksmäßig bekanntlich stets um äußerste Präzision bemüht.
    Wenn die Mitglieder eines Kabinetts oder einer Kommission sich in einer bestimmten Frage nicht einigen können oder schlichtweg keine Meinung haben, dann heißt es neuerdings, man habe sich noch nicht »beschlussmäßig positioniert«. In der Sache also kein Ergebnis, aber wischiwaschimäßig ein Volltreffer. Das ist Schaumschlägerei auf mäßig hohem Niveau. »Mäßig« hilft dabei, die Grammatik zu überlisten. Störende Gedanken über den richtigen Gebrauch von Präpositionen und Artikeln entfallen wie auch das Nachdenken über die korrekte Deklination. Statt »Mit den Plätzen hatten wir großes Glück« sagt man: »Platzmäßig hatten wir großes Glück.« Mäßig ist schnell und bequem. Die Abstumpfung hat gesiegt.
    Nicht einmal das Militär ist gegen die sprachliche Unterwanderung geschützt: So war von einem General zu lesen, der sich redlich Mühe gab, die Sorge zu zerstreuen, »dass sicherheitsmäßig ganz Afghanistan aus der Balance geraten könnte«.
    »Wichtig ist jetzt erst einmal, überhaupt die Bereitschaft hinzubekommen, sich auf unsere Bedingungen diskussionsmäßig einzulassen«, beschwor derweil eine Grünen-Politikerin – vermutlich vergebens – die diskussionsresistente Industrie.
    Psychologen wissen: »Eine kopfmäßige Überzeugung führt noch lange nicht zu einer Bewusstseinsänderung oder Änderung der Wertmaßstäbe«, und mancher heutige Oberklassenwagenbesitzer erinnert sich lächelnd, dass er sich in den Siebzigern »automäßig für einen knallbunten R4 entschieden« habe. Ach ja, die goldenen Siebziger! Würde Hans Rosenthal noch leben und bei »Dalli Dalli« in die Luft springen (»Das war Spitze!«), so müsste er heute wohl ausrufen: »Das war spitzenmäßig!«
    Vor etlichen Jahren gab es den Versuch, auch das Adjektiv »technisch« als Suffix zu etablieren. Da liefen die Dinge »beziehungstechnisch« mal besser, mal schlechter, man hatte »arbeitstechnisch« die Nase vorn und war »informationstechnisch« auf dem Laufenden, lange bevor der Begriff »Informationstechnologie« in unserer Sprache auftauchte. Aber dieses Anhängsel war vielleicht zu kompliziert, zu technisch, jedenfalls hat es den Erfolg des schlichteren »mäßig« nie erreicht.
    Und »mäßig« wuchert ungehemmt. Schon werden andere, bis vor kurzem noch völlig unstrittige Wörter in Mitleidenschaft gezogen: Der »ordnungsgemäße Zustand« wird immer häufiger zum »ordnungsmäßigen Zustand«, und eine »blitzartige Reaktion« gibt es auch schon als »blitzmäßige Reaktion«.
    »Wir stehen finanzmäßig mit dem Rücken zur Wand«, stöhnt der Vorstandsvorsitzende einer Krankenkasse erbarmungsmäßig. Wer hat ihm bloß gesagt, dass »finanziell« nicht mehr geht, bloß weil bei seiner Kasse finanziell nichts mehr geht?
    Man ist ja heutzutage geneigt, hinter jeder sprachlichen Unsitte einen Anglizismus zu vermuten. Und tatsächlich gibt es ein berühmtes Beispiel der Filmgeschichte, das diese Annahme stützt: In Billy Wilders Meisterwerk »Das Appartement« aus dem Jahre 1960 taucht ein Mann namens Kirkeby auf, der die höchst eigenwillige Angewohnheit hat, an alle möglichen und unmöglichen Wörter ein »-wise« anzuhängen – was in der deutschen Synchronfassung sehr treffend mit »-mäßig« wiedergegeben wird: »Prämienmäßig und rechnungsmäßig liegen wir um 18 Prozent besser als im letzten Jahr – oktobermäßig«, hört man Kirkeby zum Beispiel diktieren. Der Angestellte C. C. Baxter, dargestellt von Jack Lemmon, macht sich über diese Sprechweise lustig: »Fahren Sie vorsichtig«, sagt er zur Aufzugführerin Fran Kubelik (Shirley McLaine), »Sie befördern kostbare Fracht – ich meine arbeitskraftmäßig.« Und weiter: »Sie werden es nicht glauben, Miss Kubelik, aber ich liege an der Spitze – leistungsmäßig. Und vielleicht ist das heute mein großer Tag – aufstiegsmäßig.« Die junge Frau lacht und erwidert: »Sie fangen schon an, Mr-Kirkeby-mäßig zu reden!« Am Ende werden die beiden

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