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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 2: Folge 2 (German Edition)

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 2: Folge 2 (German Edition)

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 2: Folge 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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und das Tonbandgerät permanent im Anschlag, und die in ständiger Verbindung stehen mit sämtlichen Kammerdienern, Zofen, Gärtnern und engsten Freundinnen irgendeiner Lady Chatterer, die zufällig dabei war und genau gesehen haben will, wie die Königin für einen kurzen Augenblick die Contenance verlor.
    Und das ist noch der günstigste Fall. Im ungünstigeren – und vermutlich häufigeren – Fall steht der Hofberichterstatter nur mit anderen Hofberichterstattern in Verbindung und kennt weder einen Kammerdiener noch eine Zofe, geschweige denn eine enge Freundin von irgendwem; dann verbirgt sich hinter den zitierten Palastkreisen nichts weiter als ein Ondit. Das ist Französisch und bedeutet Gerücht.
    »Kreise« können für vier verschiedene Gruppen von Informanten stehen. Erstens für die »darf ich nicht verraten«, zweitens für die »zu unbedeutend, um mit Namen genannt zu werden«, drittens für die »hab mir den Namen zwar irgendwo notiert, kann ihn im Moment aber nicht finden« und viertens für die, deren Existenz nicht bewiesen werden kann. Diese letzte Kategorie findet man vor allem links und rechts des Boulevards, in seriösen Redaktionen hat sie selbstverständlich Hausverbot.
    Der wesentliche Vorzug der Kreise liegt in ihrer formlosen Beschaffenheit. Sie sind wie Nebel gestaltlos, transluzent, ungreifbar. Und damit auch unwiderlegbar. Kreise sind praktisch, das lässt sich nicht leugnen. Daher ist die Versuchung groß, sich ihrer häufiger zu bedienen, als dem Informationsgehalt gut tut. Denn da Kreise nun einmal nicht dingfest zu machen sind, wirkt sich ihr verstärktes Auftreten zu Lasten der Glaubwürdigkeit aus. Da hilft es auch nichts, sie in altmodischer Manier mit Attributen wie »wohlunterrichtet«, »eingeweiht« oder »gut informiert« zu schmücken. Die Annahme, die Kreise würden durch solche Zusätze glaubwürdiger, um nicht zu sagen runder, ist trügerisch.
    Lästig ist auch die Angewohnheit, die einmal in den Text eingeführten Kreise weiter zu verwenden und dabei auf eine nähere Bestimmung zu verzichten. Es heißt dann einfach nur noch »verlautete aus den Kreisen« oder »hieß es aus den Kreisen«, quasi analog zu bekannten Versatzstücken wie »sagte der Sprecher« oder »erklärte der Minister«.
    Man kann sich fragen, welchen Informationswert solche Angaben haben: »… war aus den Kreisen zu vernehmen«, »hieß es aus den Kreisen«. Vor allem darf man sprachästhetische Zweifel anmelden. Schon allein das allzu häufig nachgeschobene »hieß es« ist hilflos; das Anhängen irgendwelcher Kreise verbessert nicht den Lesefluss, sondern verwässert den Lesegenuss.
    Am tollsten wird’s jedoch, wenn plötzlich Kreise auftauchen, die zu keinem Zeitpunkt im Text näher bestimmt und zugeordnet werden. Kreise, die aus dem Nichts auftauchen, durch nichts erklärt werden und somit nichts besagen. Da heißt es zum Beispiel:
    »Kreisen zufolge geschah dies bereits im Juli 2001, also vor den Terroranschlägen, und damit bevor die Luftfahrtbranche in die Krise stürzte.« (»Börsen-Zeitung«)
    Um welche Kreise es sich handelt, muss sich der Leser aus dem Zusammenhang selbst zusammenreimen. Und dass er sich Dinge selbst zusammenreimen muss, ist eigentlich nicht der Sinn einer Meldung.
    »Kurz vor Verabschiedung der Gesundheitsreform im Kabinett wurde der Entwurf im Detail noch verändert. Wie aus Kreisen verlautete, sollen Apotheker künftig beliebig viele Apotheken führen dürfen.« (»Die Welt«)
    Dass hier Regierungskreise gemeint sein könnten, liegt im Bereich des Wahrscheinlichen, Gewissheit hat der Leser jedoch nicht.
    »Die CDU in Nordrhein-Westfalen schließt nach Angaben aus Kreisen den Rückzug des Bundesfraktionsvorsitzenden aus dem Parteipräsidium nicht mehr aus.« (SPIEGEL ONLINE)
    Welche Kreise mögen hier gemeint sein? Rhein-Sieg-Kreis? Lippe? Minden-Lübbecke? Hochsauerland-Kreis? Nein, die Kreise, um die es hier geht, sind auf keiner Karte und keinem Autokennzeichen zu finden. Vielmehr handelt es sich um Parteikreise, aber das wollte der Verfasser aus unerfindlichen Gründen nicht enthüllen. Und es kreist munter weiter:
    »Im EU-Verfahren gegen den Software-Riesen hat Kreisen zufolge Konkurrent Real-Networks demonstriert, dass Microsoft sein Windows-Betriebssystem nicht ausschlachten muss, um die EU-Forderungen zu erfüllen.« (»Frankfurter Rundschau«)
    Ein Freund, dem ich meine Besorgnis über die Zunahme der unbestimmten Kreise im Nachrichtenwesen mitteilte, wusste

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