Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 2: Folge 2 (German Edition)
Ausnahmen. Eine dieser Ausnahmen sieht in wenigen Fällen eine Umlautung vor, so wie bei Bauer und Bäuerin, Schwager und Schwägerin, und eine andere Ausnahme betrifft die männlichen Formen, die mit einem doppelten »er« enden. Bei der Bildung der weiblichen Form fällt das zweite »er« nämlich weg. Der Zauberer verwandelt sich also nicht in eine Zaubererin, sondern in eine Zauberin. Und der Wanderer wird zur Wanderin, genau wie der Förderer zur Förderin. Das lässt sich mit Sprachökonomie begründen. Denn die Wörter »Wandererin«, »Zaubererin« und »Fördererin« sind nicht gerade leicht zu sprechen; wenn man nicht ganz langsam und deutlich artikuliert, geht die vorletzte Silbe in einem knurrenden Gurgeln unter. Da kann man sie ebenso gut weglassen. Und so hat man’s dann auch getan.
Neben dem Zauberer und der Zauberin gibt es übrigens auch noch den Zaubrer und die Zaubrerin, genau wie auch den Wandrer und die Wandrerin. Diese Formen sind allerdings nur noch selten anzutreffen, hauptsächlich in Märchen und Gedichten. »Harry Potter«-Lesern stellt sich die Frage nach der korrekten femininen Form des Wortes Zauberer übrigens nicht. Die wissen: Das weibliche Pendant zum Zauberer ist – ganz klar – eine Hexe!
Lauter Erbauliches über laut
Die Fronten sind seit Jahren erstarrt. Auf der einen Seite stehen die Genitivisten in ihren bunten Uniformen, auf der anderen Seite die Dativisten mit ihren Federbuschhelmen. Über Stacheldraht und Gräben hinweg rufen sie sich zu: »Laut eines!« – »Laut einem!« Und dann werfen sie mit Fibeln und Grammatikbüchern. Ein Ende des Kampfes ist nicht abzusehen.
Überraschung für alle Genitiv-Muffel: Die Präposition »laut« regiert den Genitiv! Ihr glaubt es nicht? Es ist aber wirklich so! Es heißt »laut des Berichtes«, ebenso »laut eines Papiers aus dem Ministerium« und außerdem »laut Ihres Schreibens vom Soundsovielten«.
Allen Genitiv-Freunden dürfte diese Information Genugtuung bereiten. Doch damit ist das Thema nicht vom Tisch. Im Gegenteil. Der Kasuskrieg tobt erbittert weiter. Die Dativ-Anhänger sind auf dem Vormarsch, und sie haben gute Argumente, die nicht so einfach von der Hand zu weisen sind. Zum Beispiel sagen sie, dass sinnverwandte Präpositionen wie »gemäß«, »entsprechend« und »zufolge« allesamt den Dativ regieren: entsprechend dem Bericht, gemäß dem Beschluss der Regierung, seinem Plan zufolge … Warum also nicht auch »laut«? Man täte der deutschen Sprache doch eher einen Gefallen, wenn man hier für Einheitlichkeit sorgte. Gab es zu diesem Thema nicht sogar ein Buch eines gewissen Bastian Sick mit dem Titel »Tod dem Genitiv! Es lebe dem Dativ!« – oder so ähnlich?
Und nun, liebe Genitiv-Freunde, haltet euch fest: Laut Duden ist hinter »laut« auch der Dativ erlaubt! Es ist also nicht falsch, »laut dem Bericht« zu sagen, auch »laut einem Papier« und »laut Ihrem Schreiben« sind zulässig.
Grabenkämpfe zwischen Genitiv- und Dativ-Anhängern sind berüchtigt. Im Falle der Präposition »wegen« zieht sich der Kampf schon seit Generationen hin, und auch wenn »wegen dem« in der gesprochenen Sprache über »wegen des« gesiegt hat, so gilt der Genitiv hier nach wie vor als standardsprachlich. »Wegen dem« kann man sagen, aber schreiben sollte man es nicht.
Anders verhält es sich mit »laut«. Da haben es die Dativ-Anhänger bereits erreicht, dass auch im Schriftdeutsch der Gebrauch des Dativs gestattet ist. Es bleibt also jedem selbst überlassen, sich seinen Kasus hinter »laut« frei zu wählen. Gemäß dem Shakespeare’schen Motto: Was ihr wollt!
Übrigens: Steht »laut« direkt vor einem einzelnen Hauptwort im Singular, ohne Artikel oder Attribut, dann wird dieses Hauptwort überhaupt nicht gebeugt. Dann heißt es flexionslos: laut Gesetz, laut Bericht, laut Befehl, laut Zwiebelfisch. Man braucht also nur den Artikel zu streichen, schon herrscht Waffenstillstand zwischen Genitiv- und Dativ-Anhängern.
Doch worum geht es in diesem Krieg überhaupt? Um die Auslöschung des Genitivs? Um die Zurückdrängung des anscheinend übermächtig gewordenen Dativs? Nein, darum geht es gar nicht – in Wahrheit geht es um die Rettung der Grammatik. Welcher Kasus nun bevorzugt wird, ist zweitrangig – Hauptsache, es findet überhaupt noch eine Beugung statt!
Und nun kommt das Beste: Steht »laut« direkt vor einem (stark gebeugten) Hauptwort im Plural, ohne einen Artikel oder ein Attribut dazwischen, dann ist
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