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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 3

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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Sitzung wird für mich niemals ein Meeting sein und ein Ortsgespräch niemals ein Citycall. Ich trage auch immer noch Sportschuhe statt Sneakers und fürchte den Abgabetermin mehr als die Deadline.
     
    Im Zeitalter der Globalisierung streben immer mehr Unternehmen nach Internationalität. So auch die Deutsche Bahn. Daher werden die Schalter bei der Bahn seit einiger Zeit nicht mehr Schalter genannt, sondern Counter . Die Warteschlangen vor so einem »Counter« sind zwar nicht kürzer als vor einem Schalter, aber das Anstehen fühlt sich viel internationaler an. Der Kunde spürt, dass eine neue Zeit von grenzenloser Weltläufigkeit und modernstem Service-Verständnis angebrochen ist, wenn er auf den Schildern im Schalterraum liest: »Counter wird geschlossen!« und »Gern bedienen wir Sie am Counter nebenan!«. Dasselbe gilt für die Fahrplanauskunft, die sich jetzt »ServicePoint« nennt (und bei der Bahn in den drei Schreibweisen ServicePoint, Service Point und Service-Point zu finden ist).
     
    Manchmal kann man sich des Gefühls nicht erwehren, dass das Ersetzen deutscher Wörter durch englische reiner Etikettenschwindel ist. Aus meinem Sportunterricht kenne ich noch den Ausdruck Dauerlauf. In den 80ern setzte sich der Begriff »Jogging« durch. Das war im Prinzip nichts anderes als Dauerlaufen, aber es ließ sich besser vermarkten. Die Industrie überschwemmte Deutschland mit Jogginghosen. In »Dauerlaufhosen« hätte sie nicht halb so viel verdient.
     
    Zu Beginn des Jahres hat der Verein Deutsche Sprache (VDS) die Aktion »Lebendiges Deutsch« ins Leben gerufen, deren Ziel es ist, griffige deutsche Pendants zu englischen Wörtern zu finden – oder zu erfinden. Eine Expertenjury wählt unter allen eingesandten Vorschlägen den lebendigsten aus und macht sich für seine Verbreitung stark. Auf diese Weisesind bereits diverse kluge Vorschläge zusammengekommen. So wird für den »Stalker« das praktische deutsche Wort »Nachsteller« empfohlen. Statt »Blackout« solle man »Aussetzer« sagen, und für den »Airbag« wurde das Wort »Prallkissen« gefunden. Als deutsches Gegenstück zum »Brainstorming« schlägt die Jury »Denkrunde« vor, und anstelle von »Laptop« empfiehlt sie das Wort »Klapprechner«. Als ich das Wort »Klapprechner« vor ein paar Jahren zum ersten Mal hörte, habe ich gelacht, denn ich assoziierte damit Dinge wie Klappstuhl, Klapptisch und Klapprad, aber keinen Computer. Inzwischen aber finde ich den Ausdruck »Klapprechner« gar nicht mehr so abwegig und bin auf dem besten Wege, mich richtig daran zu gewöhnen.
    In seiner Mitgliederzeitung »Sprachnachrichten« und auf seiner Internetseite listet der VDS regelmäßig Meldungen über kleinere und größere Erfolge im Kampf gegen die Anglomanie. Im September 2005 konnte man lesen: »Das Museumsdorf in Cloppenburg verwendet statt des üblichen Happy Hour im Lokal ›Dorfkrug‹ den Ausdruck Beste Stunden.« Es gibt freilich noch andere Wege, mit der Übermacht der englischen Wörter fertig zu werden – zum Beispiel indem man sie orthografisch so verfremdet, dass man sie nicht mehr als englisch identifizieren kann. So wie in jener Kneipe in Berlin-Kreuzberg, in der laut Aushang jeden Dienstag zwischen 20 und 22 Uhr »Happyauer« ist! Das ist nur auf den ersten Blick komisch. Tatsächlich ist es nichts anderes als der Versuch, ein Fremdwort einzudeutschen. Auf mehr oder weniger ähnliche Weise sind schließlich auch »puschen« und »zappen« zu deutschen Wörtern geworden.
    Einen weiteren Erfolg konnte der Sprachrettungsclub Bautzen vermelden, der an der Stationsbezeichnung »Stroke-Unit« im örtlichen Krankenhaus Anstoß genommen hatte. Die Klinik zeigte sich einsichtig und ergänzte die englischeBeschriftung um den deutschen Zusatz »Schlaganfall-Intensivstation«.
    Im Internet präsentiert der VDS außerdem eine Liste mit 6000 englischen Wörtern und Abkürzungen, die Eingang ins Alltagsdeutsch gefunden haben oder sich im Fachjargon bestimmter Branchen tummeln. Hinter allen Einträgen findet man eine Übersetzung oder eine Erläuterung.
     
    Leider können Institutionen wie der VDS nicht verhindern, dass ihnen für ihre Bemühungen auch aus der falschen Ecke applaudiert wird. Das Ersetzen englischer Begriffe durch deutsche ist nämlich bezeichnend für den Jargon der rechten Szene, vor allem in Bezug auf Computertechnik. Da wird das Internet zum »Weltnetz«, die Homepage zur »Heimatseite« und die E-Mail zum »E-Brief«. Ein Link ist

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