Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 3
aber auch in Südafrika, Südamerika und in Australien.
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Sind Sie die Kasse?
Wer als Verkäufer arbeitet, der kennt sie zur Genüge: lästige Phrasen, seltsame Fragen und hilflose Floskeln. Dagegen hilft nur ein dickes Fell – oder man geht zum Gegenangriff über, so wie mein Buchhändler. Seine Methode ist zweifellos wirkungsvoll, aber nicht unbedingt zur Nachahmung zu empfehlen.
Der Buchhändler meines Vertrauens heißt Andreas und arbeitet schon seit vielen Jahren in der großen Buchhandlung am Rathausplatz, in der ich regelmäßig herumstöbere. Mit seinem Fachwissen beeindruckt er mich immer aufs Neue, ich bin mit der Zeit ein richtiger Fan von ihm geworden. Außerdem haben wir beide ein Faible für Wortspielereien. Andreas neigt allerdings manchmal zur Übertreibung, denn wann immer ihm eine Phrase über den Weg läuft, dann spießt er sie auf.
Ein Kunde steuert auf Andreas zu und fragt: »Entschuldigen Sie, wo finde ich wohl Frank Schätzing?« Andreas macht ein nachdenkliches Gesicht und erwidert dann freundlich: »Herrn Schätzing finden Sie vermutlich in Köln, meines Wissens wohnt er dort. Aber wenn Sie Bücher von ihm suchen: Die finden Sie auch hier, und zwar dort drüben bei den Bestsellern!« Der Kunde schaut verdutzt, murmelt ein »Ah ja, danke« und stolpert in die ihm gewiesene Richtung davon.
Auf meine Frage, ob er alles immer derart wörtlich nehme, erwidert Andreas: »Selbstverständlich, das bin ich meinen Kunden schuldig. Wenn nicht einmal wir Verkäufer ihre Fragen ernst nähmen, wer dann?« Sein maliziöses Lächeln verrät mir allerdings, dass er genau das Gegenteil meint: Wer solche Fragen ernst nimmt, der hat nicht alle Bücherim Regal. »Sie machen sich ja keine Vorstellung, mit welchen Fragen man als Buchhändler tagtäglich behelligt wird«, erklärt er mir. »Ich nenne Ihnen mal ein Beispiel: Unser Geschäft öffnet um 9 Uhr, das steht für jedermann lesbar draußen an der Tür. Wenn dann um 9.15 Uhr ein Kunde durch die – wohlgemerkt: offene – Tür tritt und fragt: ›Haben Sie geöffnet?‹, dann kann es durchaus passieren, dass ich ihm antworte: ›Nein, mein Herr, wir lüften nur!‹«
»Fühlen sich die Kunden dann nicht auf den Arm genommen?«, frage ich. »Dieses Risiko muss ich in Kauf nehmen!«, entgegnet Andreas. »Dann sind Sie so eine Art Till Eulenspiegel«, stelle ich fest. »Der hat die Menschen auch immer allzu wörtlich genommen.« – »Und er starb hoch- betagt und von allen beweint«, fügt Andreas mit einem schelmischen Lächeln hinzu. »Nein, im Ernst: Die Fragen und Wünsche der Kunden können einen schon ganz schön närrisch machen. Da kommt die Eulenspiegelei ganz von selbst.«
»Was stört Sie denn besonders?«, will ich von Andreas wissen. »Nun, mich stören überflüssige Floskeln. Anfangs habe ich noch alles klaglos geschluckt, aber nach der tausendsten Wiederholung bleibt einem das Lachen im Halse stecken. Es fängt schon bei der ersten Ansprache an. Wenn jemand zu mir sagt: ›Sagen Sie, Sie können mir wohl nicht helfen?‹, dann sage ich zu ihm: ›Nun ja, wenn Sie das ohnehin schon wissen ...?‹ Oder nehmen wir ein anderes Beispiel, ein echter Dauerbrenner: ›Können Sie nicht mal Ihren Computer befragen?‹ Der Kunde ist ja König, daher tu ich ihm den Gefallen, beuge mich zum Computer hinunter und stelle ihm laut und vernehmlich die Frage. Nach ein paar Sekunden des Schweigens blicke ich wieder zum Kunden auf, zucke die Schultern und sage: ›Sie hören es selbst – er antwortet nicht.‹
Auch immer wieder gern genommen ist die Bitte: ›Können Sie’s ein bisschen einpacken?‹ Ich erlaube mir dann nach-zufragen: ›Was meinen Sie mit ›ein bisschen‹? Nur die Vorderseite oder nur die Rückseite?‹« – »Seien Sie froh, dass Sie nicht in Franken wohnen«, werfe ich ein, »dort pflegt man den Verkäufer zu fragen: ›Habt’s ihr auch aweng a Düdn?‹, was so viel heißt wie: ›Hätten Sie wohl auch ein Tütchen?‹« – »Ach ja, so ein Tütchen ab und zu käme ganz gut«, seufzt Andreas mit einem verklärten Lächeln, »dann wären wir hier bei der Arbeit viel entspannter!«
Er saugt genüsslich die Lungen voll Luft, ehe er fortfährt: »Eine Kundin fragte mich unlängst: ›Ich habe gelesen, dass der Frank Schätzing schon mehr als eine Million Bücher verkauft hat, stimmt das?‹ Da musste ich die gute Frau erst einmal darüber aufklären, was sein Beruf ist: ›Herr Schätzing ist Autor und kein
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