Der David ist dem Goliath sein Tod
aufgewischte Boden einer Tchibo-Filiale.
Zuerst wähnte ich mich übrigens im Frühstücksraum der Lacklederfetischisten, bis ich befremdet feststellte, dass es sich bei den grellen Gestalten nicht um Perverse in roten Lackoveralls, sondern um Briten mit nackten Oberkörpern handelte. Die konnten was ab. Nicht nur waren sie bis auf die Lungenflügel durchgegart, sie aÃen auch Bohnen, wobei sie allerdings nicht ganz so ausgelassen waren wie der Speck, den sie dazu verschlangen.
Andererseits verstand ich sie, die Briten. Schnell gemachtes Frühstück. Speziell der Speck wäre nach dreiÃig Sekunden auf meinem Balkon kross.
Ich schwamm eine Runde im Pool. Dann ging ich auf mein Zimmer.
Mein Bett war gemacht. Der Boden gesaugt.
Mein Wasser weggekippt.
Unglaublich.
Ich wurde an der Rezeption vorstellig.
»Die Reinigungsdame hat meinen Kanister Mineralwasser weggeschüttet!«
Der Mann an der Rezeption lächelte.
»In der Minibar ist welches.«
»Schön gesagt. Ist ein bisschen so, als wenn mir ein Dieb Geld klaut und auf meine Beschwerde hin sagt: Geh zur Bank, da gibtâs frisches. Hm? Kommt mir nicht ganz koscher vor? Was ist das Nächste? Der Mensch besteht zu 90 Prozent aus Wasser â werden sie mich jetzt räuchern wie einen Aal? Na, was?«
»Nehmen Sie aus der Minibar.«
»Umsonst?«
»Nein.«
Ich wandte mich um und verlieà das Hotel.
Die üblichen 50 Grad empfingen mich, als wären sie ein alter Kumpel, wenn auch einer von der Sorte, der einen mit »Na, noch nicht tot, du Arsch?« begrüÃt.
Ich kaufte zwei Fünfliterkanister Wasser.
Versteckte einen unter dem Bett. Stellte den anderen ins Badezimmer und beschriftete ihn mit einem Kuli: GRIFFEL WEG! IST ZAHNPUTZWASSER!
Dann sah ich mir die Ortschaft an.
Man konnte Kleidung aller Marken kaufen: Leviâs, Armani, Boss, Gucci, alles eben. Selbstverständlich war nichts davon echt, aber es galt einfach, eine brillante Kopie zu finden.
Der erste Verkäufer taxierte mich mit Kennermiene.
»Ist das echt?« Ich wollte mir einen kleinen Spaà machen und hielt ein Polohemd hoch, auf dem der Schriftzug BOSS aussah, als wäre er mit Fischerdübeln befestigt worden.
»Ja«, sagte der Mann.
»Quatsch«, sagte ich.
»Doch«, sagte er. »Alles echt.«
Ich griff mir einen Turnschuh von Puma. Nicht schlecht imitiert, aber auch nicht gut, irgendwie. Der springende Puma glich einem Kaninchen mit KörbchengröÃe C.
»Und der?«
»Auch. Echt.«
Sein Deutsch war geschmeidig.
Ich fingerte eine noch dubiosere Kopie in Kinnhöhe â ein Oberhemd mit 30 Zentimeter hohen Lettern: GUCCI. Die Buchstaben waren vermutlich deswegen so riesig, damit man schon beim Landeanflug auf Antalya sehen konnte, wer die fiesesten Plagiate verkaufte.
»Echt. Von Gucci.«
»Was kostet es?«, fragte ich lauernd.
»Acht Euro.«
»Was?«
»Ja«, sagte er mit tiefer Befriedigung. »Sehr billig.«
»Aber eine Fälschung.«
»Alles echt.«
»Das ist ein Plagiat. Eine Kopie. Eine grauenvolle, hundsmiserable Kopie.«
Ein Brite trat hinzu. Es war bereits elf am Vormittag, deswegen konnte ich ihm kaum verübeln, dass er schwer betrunken war.
»Is original«, sagte er, was in seiner Verfassung klang, als hätte er den Mund voller Bonbons.
»Kauf du dir was mit langen Ãrmeln, Hummermann«, erwiderte ich strahlend und auf Deutsch. »Hilft dem Königreich ja nicht, wenn du zu Staub zerfällst.«
Der englische Herr klopfte sich wie ein ehrwürdiger Silberrücken mit der Faust vor die Brust. Sein Trägershirt wurde von einem pavianarschfarbenen Schriftzug geschmückt: Calvin Klein, das aber in groÃ.
»Original!«, bellte er.
Vom Nachbarladen eilten einige Einheimische hinzu.
Eins aufs Maul stand ins Haus, wie es aussah. Ich hatte die freie Auswahl â britisches Empire oder Einkaufsmeile.
»Was ist los?«, fragte einer der Hinzugeeilten.
»Der Mann sagt, meine Ware gefälscht.«
»So habe ich das nie gesagt«, lenkte ich ein.
»Du sagst: hundemiserabel!«
»Original!«, bellte der Brite erneut. Er schwankte.
»Nee, nee«, sagte ich. »Das ist eine Fehlinterpretation. Ist vielleicht wirklich alles original, hm? Und Giorgio Armani traut sich auÃerhalb der Türkei nur nicht, seine Initialen in der GröÃe eines
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