Der David ist dem Goliath sein Tod

petzen nicht.
    Schon blöd für so einen Fisch, stumm zu sein. Ich musste lachen.
    Ich lachte recht herzlich, wobei ich dachte: Goliath. Wer zum Schinder nennt sein Kind überhaupt Goliath? Das geht ja auf einen Sketch aus dem Alten Testament zurück, David, der Gewöhnliche, gegen Goliath, den lästernden Philisterriesen, die Sache mit der Steinschleuder. Klein schlägt Groß.
    Wurde einige Zeit später als furiose Metapher unter dem Titel GODZILLA verfilmt, wobei da weniger das Bild von »Klein schlägt Groß« prägend war als vielmehr die japanischen Nachrichtensprecher, die sich ernst der Kamera zuwandten und sagten: »Godzilla nähert sich nun dem südlichen Stadtzentrum von Tokio. Es sind bereits Spielzeugpanzer auf dem Weg dorthin. Nun: das Wetter.«
    Ja, Godzilla , das war, und jetzt kommt mal eine Redewendung aus meiner Kindheit, »eine Schau«.
    Dann entglitt mir das Aquarium, wämmste auf die Fliesen und zerbarst. Goliath glitt forsch davon, ich setzte ihm beherzt nach und bekam ihn zu packen. Mit dem Schuh. Doc Martens.
    Ich hob vorsichtig den Fuß. Es mochte daran liegen, dass Aquariumscheiben die Proportionen verzerren, dann kommt da noch die Lichtbrechung zum Tragen, aber trotzdem:
    So flach hatte ich Goliath gar nicht in Erinnerung.
    Ich betrachtete das Tier.
    Nach zehn Minuten absoluter Stille begann ich mich mit dem Gedanken anzufreunden, Goliath sei in eine recht ausufernde Ohnmacht gefallen, nach weiteren zwanzig Minuten, in denen ich ihn sporadisch mit einem Kugelschreiber anstupste und Parolen wie »auf die Füße, Soldat«, raunte, kam mir folgende Idee: Fischi tot.
    Ich musste nachdenken.
    Schaltete den Fernseher ein.
    Â»SONDERSENDUNG«, sagte der Nachrichtensprecher, »IM GEBÄUDE DER ENERGIEBETRIEBE EON IN DORTMUND HAT SICH EIN MANN VERSCHANZT UND PRÜGELT BRACHIAL …«
    Ich schaltete den Fernseher aus.
    Zehn Minuten später.
    130 innerorts, Bremsvorgang.
    Tierhändler Bornstraße.
    Â»Tanganjika-Cichliden«, hechelte ich noch im Ersterben der Türbimmel.
    Â»Krieg ich erst morgen wieder rein«, sagte der Mann, »gehen weg wie warme Semmeln. Vielleicht ’n Goldfisch?«
    Er klopfte an ein Becken: Fisch, dunkelbeige, null Gold, aber Fisch, also Bingo.
    Â»Nehme ich.«
    Ich raste heim.
    Gut gelöst, dachte ich mit Blick auf den Fisch, da warst du aber mal wieder ganz flott, Bursche.
    â€¦ Aber irgendwie … weiß nicht.
    Zehn Minuten später.
    130 innerorts, Bremsvorgang.
    Schreibwarenladen.
    Meine Stimme war so laut, dass einige Malblöcke mit Pferden darauf sich an den Kanten rollten.
    Â»Einen Edding bitte! Braun! Wasserfest!«
    Ich fummelte den Fisch noch im Auto aus dem Beutel und begann Streifen draufzumalen. Wenn man die Augen zusammenkniff, ging’s.
    Der Fisch kniff ebenfalls die Augen zusammen und starb.
    Ich versuchte ihm die kleinen Lungenflügel zu massieren und verrieb den Goldfisch dabei tief in die Schonbezüge.
    Zwei Stunden wilde Experimente.
    Ergebnisse:
    Wenn man Backenhörnchen rasiert, sind die Streifen weg. Und sie neigen zum Ertrinken, sehen dafür aber kaum wie Fische aus. Am ehesten gleichen sie rasierten Backenhörnchen.
    Angemaltes Styropor hat keine Mimik. Gut, hatte Goliath auch nicht direkt, aber immerhin hatte er prächtig nach Luft geschnappt auf seiner letzten Fahrt übers Laminat, und derartige Fähigkeiten gehen einem Schnitz aus Styropor völlig ab, angemalt oder nicht. Würde Lutz nicht gerade spontan erblinden, sähe es nur mittelmäßig aus.
    Tote Cichliden zu präparieren ist eine Fitzelarbeit. Verständlich, dass »Dr. Tod« Gunther von Hagens zwar Hinz und Kunz die Jacke auszieht und Pferde mit Bauschaum haltbar macht, man auf seinen Pornomessen für Gothics und Heilpraktiker aber nie ein rappelvolles Aquarium voller verstorbener Fische sieht.
    Dann der Funke. Die Idee.
    Der David ist dem Goliath zwar sein Tod, wird gebibelt, aber wenn man geschickt und teuflisch ans Werk geht … diabolisch …
    Später.
    Als Lutz seinen glitschigen Freund abholte, saß dieser in seiner Höhle, die wiederum in einem brandneuen Aquarium stand. Ich hielt das Becken sehr, sehr fest. Lutz klopfte mir anerkennend auf die Schulter, als er die Tattoos auf meinen Fingern sah.
    Ich habe mir mit Edding »Tanganjika Cichliden« auf die Finger geschrieben. Da ich aber leider nur zehn Finger habe, stand