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Der David ist dem Goliath sein Tod

Der David ist dem Goliath sein Tod

Titel: Der David ist dem Goliath sein Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Sträter
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herauszufinden, ob ich den Standards der Sendung entsprach.
    Ich kreuzte immer JA an. Immer.
    4. Mai
    Nach einigen Wochen kam es zu einem Telefonat mit der von VOX beauftragten Produktionsfirma.
    Â»Hallo, Herr Sträter. Doll, dass Sie den Bogen so prompt zurückgeschickt haben. Wir stellen uns als Aufzeichnungstermin Mitte Mai vor, und Sie wären dann auch gleich der Erste, der kocht. Wir würden noch gern mit Ihnen abstimmen, wann wir Ihre Wohnung besichtigen können. Wegen der Ausleuchtung und so.«
    Â»Ja«, sagte ich, um Zeit zu gewinnen. »Ja sicher.«
    Es entstand eine längere Pause, die ich nutzte, um meine Zweiraumwohnung unter die Lupe zu nehmen. Sieh es mit den Augen eines Fremden, dachte ich.
    Â»Herr Sträter?«
    50 Quadratmeter. Jedes Playstationmodell, chronologisch aufeinandergestapelt. Ungefähr sechstausend Batman-Man-Comics.
    Â»Und wann?«
    Â»Logo«, sagte ich.
    Auch meine Sammlung von Playmobil-Piratenschiffen bedurfte einer Tarnung, aber da ich alle an die Wand geschraubt hatte, würde dies schwierig werden.
    Â»Wann?«, sagte der Produktionsmensch.
    Â»Keine Ahnung. Halbe Stunde?«
    Er atmete nur scharf aus, sonst hielt er sich fabelhaft. »Wir sitzen in Berlin. Kommenden Donnerstag?«
    Â»Schlecht«, sagte ich. »Ganz schlecht. Da bekomme ich Besuch aus Schlesien.«
    Â»Was?«
    Â»Wattenscheid, meine ich. Freitag?«
    Bitte nicht, dachte ich. Wer Donnerstag vorschlägt, konnte Freitag garantiert nicht. Unmöglich, hier wen reinzulassen. Warum hatte ich mir darüber vorher keine Gedanken gemacht?
    Â»Freitag geht«, sagte der Anrufer launig.
    Scheiße.
    Â»Also nicht diesen! Den ersten im Juni!«
    Er hatte schon aufgelegt.
    19. Mai
    Das Kamerateam drängte sich in meinem Treppenhaus, zerrte Kabeltrommeln durch die Etagen, fluchte über mangelnde Lichtverhältnisse. Die Gesichter der Fernsehleute wirkten sonderbar trichterförmig, zumindest durch meinen Türspion. Denn ich machte einfach nicht auf.
    22. Mai
    Ich war der Erste, dessen Menüvorstellung aufgezeichnet wurde. Da ich nicht mal eine vage Menüvorstellung hatte, wählte ich einen Ascheplatz im Dortmunder Norden als Location. Gehörte alles zum Plan.
    Die Seniormannschaft der Stammtischformation Dortmund-Eving spielte sich im Hintergrund warm.
    Â»Fangen Sie an«, sagte der Regieassistent.
    Er wedelte aufmunternd mit der Hand.
    Â»Vorspeise«, sagte ich, die Augen zu Schlitzen verengt, »Vorspeise …«
    Â»ICH PÖL DIR GLEICH DEINEN ZIEGENARSCH WEG, DU TÜNNES!«, kam es von hinten. Nun waren sie warm. Perfekt getimt.
    Â»Schnitt!« Ich seufzte. Es lief gut.
    Â»Noch mal bitte.«
    Â»Die Vorspeise …« Oh Gott, dachte ich, haltet euch ran.
    Â»MEINST DU, ICH HAB MANSCHETTEN VOR DIR, DU PONYWÄMSER?«
    Ich drehte mich um. Läuft.
    Ein knorriger Sechziger in einem T-Shirt, auf dem das Quadratschädelmännchen der TRIMM-DICH-Initiative von 1978 abgebildet war, hatte einen anderen Rentner in Keilhose am Wickel. Es lief nach Plan.
    Â»Schnitt! Können wir woanders hingehen?«
    Â»Ich bin hier aufgewachsen«, sagte ich. »Hier liegen nicht nur meine Wurzeln, sondern auch die meiner Konzentration.«
    Â»Aber die Rentner sind ein Störfaktor. Wir ziehen um, sonst ist das Ding gestorben, Herr Sträter!«
    Ich nickte nachdenklich, erhob mich und stürzte schreiend zu Boden.
    Sofort war ich von Rentnern und Fernsehleuten umringt.
    Â»Ich spüre meine Beine nicht mehr«, flüsterte ich.
    Â»Kenn ich«, knurrte einer der Alten.
    Â»Meinen Sie«, sagte der Regiemann etwas angespannt, »es macht überhaupt Sinn, dass Sie mitmachen?«
    Ich nickte schmerzumwölkt.
    Â»Ja. Es dauert nur einen Moment. Maximal eine Stunde. Ist aus meiner Zeit bei der GSG 9.«
    Â»Kenn ich«, sagte der Alte erneut und ich blickte ihn sachte kopfschüttelnd an.
    Â»Kenn ich nicht«, sagte er. »Hab mich vertan.«
    Eine junge Frau trat zum Regiemenschen.
    Â»Wir zeichnen das am Schluss auf. Wir haben keinen Ausweichkandidaten. Nicht für Dortmund.«
    Als ich wenig später aufstand, blickte ich in die geöffneten Hände der Fußballmannschaft.
    Â»Wir machen das mit dem Geld später«, sagte ich.
    2. Juli
    Der Abend vor dem Event.
    Ich nahm bereits 18 Stunden vor Ankunft meiner Gäste eine kleine Mahlzeit zu mir, indem ich mir die Fingernägel abkaute.

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