Der Deal
weil er zu früh aufgestanden war, hatte er sich eingeredet. Eigentlich, weil er zuviel Bier getrunken hatte. Die alte Begründung für seine Kater, zu wenig Schlaf gehabt zu haben, zog nicht mehr, nicht mal mehr ihm selbst gegenüber.«
Südlich von San José wurde die Landschaft offener, die Ausläufer des Gebirges waren von den Regenfällen im Frühjahr immer noch grün, die verkrüppelten Eichen fingen zu knospen an. Mensch, dachte er, wenn Kalifornien sich nicht selbst kaputtmacht, ist es wunderschön hier.
Er fuhr zu schnell und wußte es auch, aber es war ihm egal. Die Straße war fast leer, und er machte sich stets einen Spaß daraus, die Highway Patrol aufzuspüren. Außerdem würde er sagen, daß er im Auftrag von Sheriff Munoz aus Gonzalez unterwegs war, und würde wahrscheinlich sowieso mit einer Verwarnung davonkommen.
Aber aus irgendeinem Grund – vielleicht war es sein dikker Kopf – war er nicht in der Lage, sich längere Zeit auf den Grund für diese Autofahrt zu konzentrieren. Dadurch wurden seine Kopfschmerzen noch schlimmer.
Als er in die Steinbeck-Gegend kam, kurbelte er bei Gilroy das Fenster runter. Es roch nach Knoblauch. Die Sonne stand jetzt höher, doch über dem einen oder anderen Fleckchen Wasser hingen immer noch Nebelschwaden. Es ging auf zehn Uhr zu.
Eine Tafel am Ortseingang verriet Hardy, daß Gonzalez die Heimatstadt der Tigers war. Daß sie von Detroit hergezogen sind, verheimlichen sie aber, dachte er, als er an der einstöckigen High School mit ihrem verblaßten Schild vorbeifuhr.
Sein Ziel war eine quadratische Unfallklinik aus Beton, die in dem für öffentliche Einrichtungen typischen Gelb angestrichen war und zwei Straßen hinter der Stadtmitte lag.
Sheriff Munoz begrüßte ihn an der Tür. Mit seinem kahler werdenden grauen Haar und seiner tiefen, weichen Stimme hatte er die ganze Autorität eines Kleinstadtpolizisten, offensichtlich ohne dabei arrogant zu sein. Vielleicht war er schon lange dabei. Seine Uniform war abgetragen, sein Körper massiv und stämmig, aber nicht schlaff. Sein Gesicht war eckig, sauber rasiert, und seine Miene wirkte besorgt. »Ist das Ihre Karte?«
Hardy nickte.
»Sonst hatten wir nichts in der Hand, um ihn mit irgend etwas in Verbindung zu bringen.«
»Kein Portemonnaie?«
Munoz schaute Hardy an – nicht zornig –, doch seine Augen verrieten, daß sie bereits nachgeschaut hatten.
»Lebt er noch?«
»Physisch. Er ist noch nicht aufgewacht. Er wird aber zu sich kommen. Im Moment wirken die Beruhigungsmittel.«
Es waren nur zwei Zimmer hinter dem offenen Empfangsbereich. Steven Cochran war in dem zweiten.
Hardy schluckte, erinnerte sich an den Anblick des Bruders, Eddie, vor nicht mal einer Woche, auf einer ähnlichen Bahre. Jesus, sie sehen sich ähnlich, dachte er. Das war ihm vorher noch nie aufgefallen – Steven hatte zuerst viel dünner gewirkt. Er zwang sich hinzuschauen. Vielleicht, weil beider Verletzungen so ähnlich zu sein schienen. Die rechte Seite von Stevens Gesicht war von einem Verband überdeckt, sein rechter Arm lag in einer Schlinge, und eine verbundene Hand guckte daraus hervor.
»Was ist passiert?« »Erkennen Sie ihn?«
Alles der Reihe nach. Munoz hatte recht. »Wir müssen seine Familie anrufen«, sagte Hardy.
»Wenn Sie nichts dagegen haben, Sir, können Sie mir sagen, welche Beziehung Sie zu dem Jungen haben?«
Sie waren in das andere, leere Untersuchungszimmer gegangen und tranken Night&Day -Kaffee, den die Krankenschwester von der Aufnahme gebracht hatte. Hardys Kopfschmerzen waren weg. Er erklärte, wie Steven an seine Karte gekommen war.
»Komisch, das war alles, was er bei sich hatte.« Das war eine Feststellung, kein Vorwurf.
»Wo war sie?«
»In der vorderen Tasche.«
»Vielleicht hat er sein Portemonnaie verloren.«
Der Sheriff nickte. »Vielleicht.«
»Hören Sie zu«, sagte Hardy. »ich bin zwar kein Beamter, aber hätten Sie etwas dagegen, darüber zu sprechen? Ich kann Ihnen jemanden nennen, der Ihnen bestätigt …«
Munoz machte auf Hardy den Eindruck eines sehr gründlichen Polizisten, und deshalb war er nicht sehr überrascht, daß Munoz aufstand, um Glitskys Privatnummer anzurufen.
Als der Sheriff zurückkehrte, schien er zufrieden zu sein. »Gut«, sagte er, »glauben Sie, daß das hier mit dem zu tun hat, woran Sie arbeiten?«
Hardy trank einen Schluck Kaffee und fragte ihn, was genau geschehen sei.
Munoz hatte seine Ellbogen auf seine Knie gestützt, die Hände mit dem
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