Der Delta-Stern
riesigsten Menschen, die er seit längerem gesehen hatte, unterbrochen, einem Mann, der Augenbrauen hatte, die aus fingerbreiten Pelzstreifen zu bestehen schienen, und der an der Bar saß und gespannt zugehört hatte. »Wie schreibt sich diese Krankheit?« fragte der riesige Mensch.
»Hm, die schreibt sich P-o-r-p-h-y-r-i-a«, sagte der Professor. »Und um damit fortzufahren, meine Theorie ist die, daß durch die Krankheit zuviel Porphyrin ausgeschieden wird, das durch die Eisenverbindungen, die es enthält, den Blutfarbstoff bildet, und daß den Leuten dadurch ihre Probleme entstehen. Das Trinken von Blut hingegen gleicht ihren Porphyrinhaushalt wieder aus, und deshalb greifen sie Kühe an und trinken deren Blut.«
Plötzlich entspannte sich der Schreckliche Tscheche. »Mit dem Trinken von Kuhblut habe ich nichts zu schaffen!« sagte er zu der Jungdoktorin, die ihn verwirrt anschaute.
»Nun ist die Sache aber auch die, daß Knoblauch ein Enzym, das Porphyrin freisetzt, blockieren kann«, fuhr der Professor fort, »und so kam die Legende auf, Knoblauch könne vor Vampiren schützen.«
»Du sollst nicht begehren deines Nachbarn Kuh«, kicherte Hans seiner Jungdoktorin zu, die ihn total ignorierte.
»Und auch Chinin blockiert dieses Enzym«, fuhr der Professor fort, »also …«
»Das heißt doch, daß man einem Vampir keinen Gin Tonic geben darf!« sagte der Schreckliche Tscheche, und zum ersten Mal schenkte seine Jungdoktorin ihm ihre volle Aufmerksamkeit. Er hatte ja vollkommen recht!
»Wenn ich mich nächstens mit einem fremden Mann verabrede, mach ich erst mal einen Gin-Tonic-Test mit ihm«, sagte sie und schaute den Schrecklichen Tschechen prüfend an, denn der sah mit seinem schwarzen Haar, den pelzigen Augenbrauen und seinen slawischen Zügen tatsächlich wie Draculas Urgroßvater aus – wie ein sehr großer Urgroßvater allerdings, um genau zu sein.
»Ich könnte ja ne echte Vampirstory erzählen«, flüsterte der Schreckliche Tscheche, »wenn ich Sie erst mal besser kenne. Ich sehe, Sie mögen Vampire.«
Zwei männliche Studenten, die derzeit völlig aus dem Häuschen waren, weil der Schlußtermin für die Abgabe eines Dissertationsthemas immer näher rückte, diskutierten mit den Gründen dafür und dagegen die Frage, ob einer ihrer Kommilitonen aus dem Fenster gesprungen oder rausgefallen war, weil er vollgepumpt mit Lachgas gewesen war. Offenbar hatten auch wissenschaftliche Wunderkinder ihre Streßprobleme.
Der Schreckliche Tscheche, der inzwischen bei seinem vierten Doppelten angelangt war und sich an sämtlichen Konversationen beteiligte, sagte: »Er ist gesprungen, wenn Sie mich fragen. Heutzutage springt doch jeder oder schlitzt sich die eigene Kehle auf oder steckt sich seinen Achtunddreißiger in den Rachen und drückt ab. Oder die Leute machen ihre Kinder tot, oder …«
»Aber so schlecht läuft's im Restaurantgewerbe doch wohl kaum«, sagte eine der Jungdoktorinnen zu ihm.
»Also, über was reden diese Jungs da eigentlich, was heißt Reaktionskinetik?« erkundigte sich Hans, ziemlich betrunken, bei seiner Jungdoktorin, die ihrerseits von diesem K-9-Cop einfach nicht loskommen konnte und längst gemerkt hatte, daß er stank wie ein Tier.
»Wie Moleküle aufeinanderprallen«, sagte sie.
»Alles, was Sie sagen, klingt für mich erotisch!« jubilierte Hans. »Könnten Sie mir nicht Ihre Telefonnummer aufschreiben?«
»Ich denk nicht dran«, sagte die Jungdoktorin und warf ihrer Kollegin unmißverständliche Blicke zu.
»Aber dann schreiben Sie mir doch wenigstens Ihre Ortskennzahl auf«, bettelte Hans, der von Minute zu Minute geiler wurde.
»Heute abend nicht«, antwortete sie, und ihrer Freundin flüsterte sie zu: »Paß auf, das ist der letzte Arsch!«
»Gut, dann schreiben Sie mir ne Formel auf!« schrie Hans. »Ich bin verrückt nach klugen Mädchen!«
»Wissen Sie, warum ich mich vor allem freue, daß ich hier reingeschneit bin?« sagte der Schreckliche Tscheche zu der Barmixerin, die ihm gerade den fünften Doppelten einschenkte. »Hier ist jeder intelligenter als ich. Da, wo ich sonst immer rumsauf, bin ich der Intelligenteste von allen, und deshalb krieg ich da immer richtige Schuldgefühle, weil ich eigentlich was Besseres tun könnte, als mich mit all diesen Dummköpfen zu besaufen.«
»Intelligenter, oje!« flüsterte Hans seiner Jungdoktorin zu.
»Der ist so intelligent wie ne Eisbox. Der ist nicht mal Kellner. Kellnerlehrling is er. Und das seit zwanzig Jahren.
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