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Der Delta-Stern

Der Delta-Stern

Titel: Der Delta-Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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natürlich lieber gewesen. Irgendeine, die er am Genick packen und auf die Straße hätte schmeißen können. Und deren liegengebliebene Handtasche er garantiert auf dem Sitz vorgefunden hätte, während er, wodurch sein mieser Tag doch noch erträglich geworden wäre, in einem passablen Wagen aus der verdammten Gegend entkam, in der es von Cops, die nach ihm Ausschau hielten, nur so wimmelte. Aber er sah in diesem ganzen alten, vergammelten Villenviertel um die Magnolia und Leeward keine einzige Person in einem geparkten Wagen sitzen außer diesem Arsch von Mexikano in dem Lieferwagen.
    Der Arsch in dem kleinen Lieferwagen war ein aus Durango stammender Mexikaner namens Chuey Valdez. Er war Gärtner und hatte die Ladefläche seines Wagens vollgepackt mit Gartengeräten. Auch er hatte einen miesen Tag gehabt. Zwei Kunden hatten ihn mit dem Lohn hängen lassen und auf nächste Woche vertröstet. Chuey Valdez war dahintergekommen, daß Geld und Mangofrüchte in Los Angeles keineswegs auf Bäumen wuchsen, wie ihm der Halsabschneider versprochen hatte, der ihn für zweihundert amerikanische Dollar illegal über die mexikanische Grenze gebracht hatte. Er mußte sich bei seiner Arbeit in Los Angeles ganz schön den Arsch aufreißen, und er war äußerst gereizt. Er war überhaupt nicht in der Stimmung, sich von irgendeinem großen, durchgeschwitzten Blacky seinen verbeulten Lieferwagen klauen zu lassen.
    Chuey Valdez aß gerade seinen Lunch, der aus Mais-Tortillas und kalten Bohnen sowie dem Festschmaus der Woche – einer ganzen Avocado – bestand, als Earl Rimms an seinen Lieferwagen herantrat.
    »So, nu steig mal aus, du mexikanischer Drecksack«, sagte Earl Rimms, und seine schwarzen, grundlosen Augen schnellten hin und her wie eine Peitsche.
    »Willst duuu waaas Bestimmtes?« fragte Chuey Valdez vorsichtig und gedehnt.
    »Ich will dir den Hals umdrehen. Dir deine Eier zerquetschen. Dir an dein beschissenes Leben! Und wenn du nicht umgehend aus diesem verdammten Lieferwagen verduftest, biste geliefert!«
    Also zuckte Chuey Valdez, wie es so seine Art war, angesichts der überwältigenden Übermacht nur die Schultern, als wolle er sagen: »Si, Señor.« Er nahm seinen Sandwichbeutel und seine Avocado und seine Tortillas und stieg aus dem Lieferwagen. Dann griff er in seinen Sandwichbeutel und zog das Küchenmesser heraus, mit dem er gerade noch seine Avocado abgeschält hatte.
    Als sich Earl Rimms, mordlustig wie eine weißlippige Kobra, herumdrehte, um dem kleinen mexikanischen Drecksack die geballte Faust in die Fresse zu schlagen, stieß ihm Chuey Valdez dieses Küchenmesser tief in den verschwitzten Brustkasten. Genau unterhalb des Brustbeins. Genau bis zum Griff. Dann riß Chuey Valdez das Messer heraus und warf es auf die Ladefläche des Lieferwagens und trat ein paar Meter zur Seite, um seine Arbeit zu begutachten.
    Earl Rimms stand da mit dem Rücken zum Lieferwagen und sah Chuey Valdez an. Er konnte es offensichtlich nicht begreifen. Er preßte beide Hände auf die Stichwunde und sagte fassungslos: »Du verfluchter kleiner mexikanischer Drecksack! Du hast mich abgestochen!«
    Woraufhin Chuey Valdez lediglich uninteressiert die Schultern zuckte und sagte: »Duuuu hast mich zur Weißgluuuut gebracht.«
    »Du verdammter mexikanischer Drecksack!« sagte Earl Rimms verwundert, und mit jedem Schlag seines Herzens, mit jedem Wort, das er sprach, schoß ein Blutstrahl aus seinem Körper und platschte auf den Asphalt.
    Dann wandte Earl Rimms sich ab und ging ziellos in Richtung Wilshire Boulevard, während Chuey Valdez sich überlegte, ob er ein guter Amerikaner sein und die Polizei anrufen sollte, oder besser ein gerissener Illegaler aus Mexiko, der hier wie der Blitz verduftete.
    Wie sich zeigte, brauchte er erst gar keine Entscheidung zu treffen. Jane Wayne, inzwischen fast verrückt vor Angst um den Schrecklichen Tschechen, bog mit ihrem schwarzweißen Plymouth mit quietschenden Reifen um die Ecke der Magnolia, neben sich ihren fast im Koma liegenden Partner Runzel-Ronald. Earl Rimms blieb stehen, zeigte auf seine Brust und auf Chuey Valdez, als ob er sagen wollte: »Dieser dreckige kleine Mexikaner hat mich abgestochen!«, und taumelte über den Rasen eines stuckverzierten Zweifamilienhauses, an dessen Auffahrt er zusammenbrach.
    Innerhalb von fünf Minuten war die Straße von einem Dutzend Streifenwagen blockiert, deren Rotlichter und Blaulichter in alle Richtungen blinkten. Earl Rimms hatte sich fast noch bis

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