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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Zentrale aufzunehmen.
    Einmal kann in der Zentrale das Chaos ausbrechen und übereilte Aktionen auslösen, und zum anderen kann die Reise in die Dunkelheit an einem verlassenen Flußufer enden, an dem die Beweise höhnisch deponiert werden: Man stirbt mit einem Sack über dem Kopf, der mit Parolen vollgesprüht wird, etwa des Inhalts, so ergehe es allen Bullenschweinen.
    Soweit Carl in Erfahrung gebracht hatte, bestand ihr Auftrag nur darin, Waffen zu kaufen, den Schmuggelweg zu organisieren und dann mit leeren Händen nach Europa zurückzufliegen. Mehr als ein paar Tage konnte das nicht dauern. Und wenn Carl sich ein paar Tage nicht meldete, sollte das die Leute vom Verfassungsschutz nicht um den Verstand bringen. Es spielte also keine große Rolle, daß man in Köln und Hamburg nicht wußte, welch eine dramatische Wendung das Unternehmen genommen hatte. Carl würde mit aller Wahrscheinlichkeit vor den Waffen in Hamburg eintreffen. Er durfte davon ausgehen, daß die Terroristen ihn auch künftig brauchten. Er war immerhin der einzige beteiligte Schwede. Schon aus dem Grund war er für eine Aktion in Schweden so gut wie unersetzlich.
    Inzwischen hatte er sich auch daran gewöhnt, einer von ihnen zu sein. Er fühlte sich ihnen von Stunde zu Stunde mehr zugehörig, was ebenfalls dazu beitrug, seine Unruhe zu verscheuchen.
    Vermutlich hätte er sich sogar aufrichtig entrüstet, falls jemand behauptet hätte, er sei in Wahrheit ein schwedischer Geheimdienstmann. Er schwebte in einem Grenzbereich. Immer wieder ging ihm durch den Kopf, wie das geplante Vorhaben, die Zerstörung des obersten Stockwerks der amerikanischen Botschaft in Stockholm, vonstatten gehen könnte.
    Sie würden von drei Seiten angreifen und drei Waffen einsetzen.
    Die Zeit für das Nachladen und erneute Feuern betrug weniger als fünfundzwanzig Sekunden. Vom ersten bis zum letzten Schuß war also eine Zeit von rund sechzig Sekunden anzusetzen.
    Die gewaltige Zerstörung, die Explosion und die brennende Botschaft würden unweigerlich alle Blicke auf sich ziehen. Das bedeutete, daß die drei oder vier Schützen unbemerkt vom Tatort würden wegspazieren können. Die Waffen konnten sie in einen Regenmantel wickeln. Es würde mindestens sechs und höchstens zehn Minuten dauern, bis Polizei und Feuerwehr eintrafen, und zu diesem Zeitpunkt würde die Botschaft schon ein brennendes Inferno sein. Das Kommando wäre schon in Sicherheit, bevor die Polizeiführung über die Lage Klarheit gewonnen hätte. Der Rest war eine Frage von Glück oder Pech bei Grenzübertritten in der nachfolgenden Zeit. Dieser Teil des Plans fiel jedoch nicht in Carls Verantwortung. Er war nur für die militärische Seite zuständig, und die, das wußte er, hatte er absolut im Griff.
    Vielleicht können wir eine oder verschiedene Finnlandfähren nehmen, dachte er. Das war nämlich ein vollkommen unwahrscheinlicher Fluchtweg. In Helsinki konnte sich das Kommando teilen, sich in verschiedene Hotels einmieten und dann einzeln oder paarweise das Land mit dem Flugzeug verlassen.
    Die finnische Grenzpolizei war wohl kaum darauf eingestellt, nach Terroristen Ausschau zu halten, die das Land verließen. Es blieb nur die Frage, ob es alle schafften, sich mit so hervorragend gefälschten Pässen auszustatten wie das Ehepaar Hahn.
    Das Schrillen des Telefons riß Carl aus seinen Träumereien. Es war Horst Ludwig Hahn. Er bat ihn, in zehn Minuten unten in der Hotelhalle zu sein: Er wolle mit ihnen in die Stadt.
    Horst hatte einen Toyota gemietet. Zunächst machte er mit ihnen eine Sightseeing-Tour durch die Stadt, während der er unaufhörlich erzählte. Er erzählte von Pontius bis Pilatus, angefangen beim Einzug von Lawrence von Arabien in die Stadt, als die arabischen Stämme in den Ersten Weltkrieg hineingezogen wurden, bis hin zu der Geschichte, wie das einstige Prestigehotel Semiramis unter einem dieser neuen, schauerlich häßlichen Hochstraßensysteme verschwunden sei, die sich nach westlichem Muster kreuz und quer durch die Stadt schlängelten.
    Sämtliche Viertel mit traditionell arabischen Bauten würden gegenwärtig abgerissen, dafür errichte man Glas und Betonpaläste nach Ost-Berliner Muster: Man mache die gleichen Fehler wie Europa in den sechziger Jahren. Carl fragte sich, woher die Syrer das Geld für diese Bauten hernahmen. Ihre Landwirtschaft reichte kaum für den eigenen Bedarf, die Ölproduktion überschritt ebenfalls kaum die Grenze des eigenen Konsums, und der

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