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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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unwahrscheinliche Menge von Gerichten aufzutragen. Horst Ludwig Hahn spielte sofort den kulinarischen Führer.
    »Das mußt du mal probieren«, sagte er und zeigte auf etwas, was wie rohes Beefsteakhack aussah. »Das ist gubbeh, eine Art Lammhack, und die mit Weinlaub umwickelten dolmos kennst du wohl schon. Dazu mußt du diese weiße Sauce nehmen, laban. Dann gibt’s noch den üblichen Grillspieß, kebab, und den Lammhackspieß kefta. Du mußt dich einfach durchprobieren.
    Und dazu gibt’s leider nur dieses elende DDR-Bier.«
    Die drei Neuankömmlinge stürzten sich auf die Gerichte, während sie Inge Furth, was kaum überraschen konnte, etwas blasierter anging. Nach einer Weile kamen neue Gerichte, eines davon, behauptete Hahn, sei eine besondere syrische Spezialität: gebratene Singvögel. Carl kamen sie allerdings eher halbroh vor. Man hatte einen Teil der Köpfe abgeschnitten, so daß der Schnabel fehlte. Offenbar sollte man die Spatzen (oder was sie auch waren) ganz essen. Immerhin hatte man sie gerupft und ausgenommen. Carl kehrte aber schnell wieder zu den Grillspießen und den verschiedenen Saucen mit Joghurt und Knoblauch, Gürkchen und Auberginen zurück sowie dieser Kichererbsen-Creme, die er damals in Beirut kennengelernt hatte, als…
    Er erstarrte mitten in der Bewegung, als er gerade ein Stück Brot mit Houmous zum Mund führte.
    Auf dem Kiesweg neben der Fontäne mit dem grünen, roten und blauen Licht erschienen zwei Personen. Ein Mann und eine Frau. Carl erhaschte nur einen kurzen Blick auf das Gesicht der Frau, bemerkte aber trotz des schwachen Lichts der Fontänen-Beleuchtung, daß die eine Wange eine Brandwunde aufwies.
    Es mußte Mouna gewesen sein, Mouna, Offizier im Rang eines Oberstleutnants beim Jihaz ar-Rased, dem palästinensischen Nachrichten und Sicherheitsdienst. Hatte sie ihn gesehen?
    Sollte er ihr ins Restaurant folgen und sie begrüßen? Nein, es war unwahrscheinlich, daß sie sich in Damaskus aufhielt. Sie gehörte der PLO an, und Syrien war für die PLO feindliches Territorium. Wenn die Syrer sie erwischten, würden sie sie erst verhören und foltern und dann umbringen.
    Carl hatte sie einmal auf diese Wange mit der Brandwunde geküßt, als sie sich auf dem Weg zum Beiruter Flughafen mit Mühe durch eine Straßensperre der AMAL-Miliz hatten mogeln können. Sie hatten sich beträchtlich anstrengen müssen, um die Milizionäre zu überzeugen. Sie war gekleidet wie eine gutbürgerliche Frau aus Damaskus, die zu einer Party oder in ein Restaurant geht. Hatte sie sich etwa nach Syrien abgesetzt?
    Mouna eine Verräterin? Nein, das war wenig wahrscheinlich. Carl bemühte sich, sich an die letzte Mitteilung zu erinnern, die er ihr geschickt hatte: »…aber sei so nett und richte Mouna von mir aus, daß ich ihr persönlich einundzwanzig rote Rosen schicken werde. Ich habe die Grüße von ihr ausgerichtet, wie wir vereinbart hatten…«
    Diese Mitteilung sollte bedeuten, daß er genau das getan hatte, worum sie ihn gebeten hatte. Die Formulierung war zwar ein wenig theatralisch, aber er hatte ihr ein Versprechen gegeben, bevor sie sich trennten. Er hatte sein Versprechen gehalten. Er hatte Mounas Grüße ausgerichtet, als er die Spezialisten des israelischen Sayeret Matkal tötete.
    Carl bekam plötzlich schweißnasse Hände. Erinnerungen kehrten zurück, die er immer zu verdrängen versuchte: Den beiden ersten Männern, die mit ihren Maschinenpistolen auf ihn feuerten, schoß er durch Hals und Kopf, es wurde still im Raum, und er wandte sich zur Tür, durch die der Gruppenchef hereinkommen mußte. Im Augenwinkel sah er einen Blutstrom von einem der Sterbenden auf den Fußboden sickern. Dann erschien der Mann, der Elazar genannt wurde, tatsächlich mit einem automatischen Karabiner in der Tür, und sie sahen einander entsetzliche Sekunden lang an, bevor Carl abdrückte und dem anderen Herz und Rückgrat durchschoß; nein, er mußte diese Erinnerung jetzt unbedingt loswerden. Er war damals zu spät gekommen. Deswegen empfand er das größte Schuldbewußtsein. Außer ihm selbst hatte nur ein Mensch den israelischen Angriff auf die PLO in Stockholm überlebt. Nein, er mußte sich zusammennehmen. Er würde keinen Kontakt mit Mouna aufnehmen.
    »Du siehst so irritiert aus. Schmeckt dir unser Essen nicht?«
    fragte Inge Furth munter. Es war das erste Mal, daß sie ihn ansprach.
    »Wie soll ich sagen? Diese Singvögel jedenfalls nicht. Worüber sollen wir eigentlich sprechen?«
    Carl trocknete

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