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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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sprach, schont gleichsam die Kräfte, bis die Schale durchstoßen ist. Wir erzielen so im Gebäude einen größeren Wirkungsgrad.«
    »Wo um alles in der Welt hast du dieses Wissen her?« fragte Barbara Hahn mit offenkundiger Verblüffung.
    »Ich bin Militär, nicht militant, sondern Militär«, erwiderte Carl und staunte selbst über seine völlige Aufrichtigkeit.
    »Wie ich schon sagte, morgen nehmen wir uns die große Omaijaden-Moschee und den Hammediyak-Souk vor«, sagte Horst Ludwig Hahn, als sie aufbrachen.
    Carl verliebte sich augenblicklich und widerstandslos in den Hammediyah-Souk. In den unendlichen, überdachten und gewundenen Gängen, in denen es überwältigend nach orientalischen Gewürzen roch, fand sich alles: von Gold und Unterwäsche über Teppiche und Kunsthandwerk aus Metall bis hin zu Andenkenläden für Touristen und Schlachtereien, kleinen Eßlokalen und sogar zwei großen Eisdielen, in denen kräftig gebaute Araber das Eis auf eine besondere Weise kneteten und walkten, bis es zäh wurde; man servierte es mit Maispudding und gehackten Pistazien. Der Geschmack erinnerte in nichts an das Eis, das Carl bislang gegessen hatte. Zehntausende von Menschen drängten sich in einer absolut traumhaften Menschenmischung: Carl sah Frauen im Tschador neben superkurzen Miniröcken und dazwischen Kompromisse mit dem Islam, Frauen, die langärmelige Kleider trugen und sich lange Schals um den Kopf gewickelt hatten.
    Horst Ludwig Hahn erzählte kenntnisreich und begeistert von den handwerklichen Traditionen des Landes, davon, daß das gesamte Metallhandwerk immer noch in den Händen der Juden liege, daß die Stickereien - ob Carl nicht ein Kopftuch für seine Mutter oder eine andere Frau kaufen wolle? - eine fabelhafte syrische Tradition seien, und daß man die Tücher, wie kostbar sie auch aussehen mochten, trotzdem durch die Waschmaschine jagen könne. In jedem zweiten Laden entdeckte Carl Intarsienarbeiten in Perlmutt und Rosenholz, und das auf den unwahrscheinlichsten Gegenständen, angefangen bei kleinen Nippes-Dosen bis hin zu Möbeln von der Größe eines Flügels.
    Alles zu Preisen von ein paar Zehnern bis zu Zehntausenden von Mark. Der Souk schien unendlich zu sein. Sie brauchten mehr als den halben Tag, bis sie alles gesehen hatten, denn Barbara ließ sich als Touristin genauso begeistern wie Carl. Ihr naiver Enthusiasmus färbte auch zunehmend auf Horst Ludwig Hahn ab.
    Sie betraten einen Laden, dessen palästinensischen Eigentümer Horst Ludwig Hahn kannte, und kauften, nachdem sie rund eine Stunde Tee getrunken und sich unterhalten hatten, je ein Tuch und eine Schatulle mit Intarsien. Carl entdeckte einen reichverzierten Dolch im Stil des neunzehnten Jahrhunderts (worüber ihn Horst Ludwig Hahn blitzschnell aufklärte), dessen Scheide aus schwerem Silber bestand. Die Schneide wies kalligraphische Ornamente in gehämmertem Gold auf. Carl legte ohne jedes Zögern vom Geld des Verfassungsschutzes, das für seine Spesen bestimmt war, 2000 Mark auf den Tisch und kaufte den Dolch. Es konnte nicht schaden, wenn sich in ihrem Gepäck ein paar Gegenstände befanden, die einem Damaskus-Reisenden als Mitbringsel gut zu Gesicht standen.
    Schließlich kamen sie zur Großen Moschee. Horst Ludwig Hahns Vortrag wurde wieder lebhaft. Sie bezahlten Eintritt und legten ihre gesamten Einkäufe in dem Vorraum ab, in dem sie auch die Schuhe ausziehen mußten. Barbara mußte einen fußlangen schwarzen abaya anlegen. Carl protestierte besorgt.
    Er wollte seinen kostbaren Dolch mitnehmen, aber Horst Ludwig Hahn lachte ihn aus. Erstens sei es ein Sakrileg, eine Moschee mit einer Waffe zu betreten, zweitens sei es ein weiteres Sakrileg, in einer Moschee zu stehlen. Alle Dinge würden an ihrem Platz liegenbleiben - hier sei nicht Europa, in dem man vor Dieben nicht sicher sei.
    Als sie den Innenhof betraten, sprudelte Horst Ludwig Hahn alles an Informationen heraus, was er wußte. Den typischen Mosaik-Einlagen über dem Eingang zum Tempelhof könne man ansehen, daß dies einmal eine byzantinische Kirche gewesen sei; man habe die Glockentürme einfach in Minarette verwandelt. Die kurze, einhundertjährige Herrschaft der Kreuzritter habe nicht eine einzige Spur christlicher Kultur hinterlassen können. So werde es eines Tages wohl auch in Israel geschehen. Nachdem Salah Eddin das Land von den Ungläubigen befreit habe, müsse es leicht gewesen sein, wieder zur gewohnten Ordnung zurückzukehren.
    Auf der anderen Seite des

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