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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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einzigen israelischen Diplomaten niederschoß, ohne ihn zu töten. Was ihr in Händen habt, ist hundertmal schlimmer. Mehr brauche ich dazu nicht zu sagen. Ihr setzt die Zukunft unseres Volkes aufs Spiel. Hunderttausend Menschenleben, das ist ungefähr der Preis, den wir für unseren letzten Krieg bezahlt haben. In der anderen Waagschale seid ihr dagegen leicht wie Asche. Mehr gedenke ich dazu nicht zu sagen. Also - wo befinden sich eure Waffen?«
    Keiner der drei Gefangenen antwortete. Wohl hauptsächlich wegen des Schocks über die Wendung, die alles genommen hatte. Mouna wartete ruhig. Carl mußte eine hysterische Lust unterdrücken, laut loszulachen. Er hatte sein ganzes Vermögen der PLO vermacht, und jetzt war sie dabei, dieses Erbe schneller einzukassieren, als er hatte ahnen können, und ganz entschieden anders, als er es sich vorgestellt hatte.
    »Nun«, sagte Mouna schließlich und wandte sich an Horst Ludwig Hahn, »du da. Ich weiß nicht, wie du heißt, aber ich gehe davon aus, daß dein Paß nicht echt ist. Wo sind die Waffen?«
    »Die sind schon unterwegs nach Europa«, sagte Horst Ludwig Hahn mit fast versagender trockener Stimme.
    »Einen Dreck sind sie. Ihr habt sie gestern bekommen. So glatt arbeitet Abu Nidais Bürokratie nicht. Wo sind die Waffen? Wie sollen sie nach Europa geschmuggelt werden? Machen es die Syrer über ihre diplomatische Vertretung? Kommen die Waffen per Schiff oder per LKW? Dir sollte klar sein, daß ihr auf keinen Fall hier lebendig herauskommt, bevor wir es wissen.«
    »Sie sind schon unterwegs. Wir selbst wollten morgen abreisen.«
    Horst Ludwig Hahn leckte sich nervös die Lippen. Inzwischen hatte er etwas von seiner Stimme zurückgewonnen. Mouna ließ sich jedoch nicht erweichen.
    »Den Teufel werdet ihr. Ihr seid noch für eine ganze Woche im Sheraton gebucht.«
    »Ja, aber das nur aus Sicherheitsgründen. Ich wußte nicht, daß alles so glatt gehen würde. Die Waffen sind mit einem Lastwagen unterwegs, einem Obsttransporter nach Hannover.
    Sie sollen in fünf oder sechs Tagen ankommen. Dort oben haben wir Leute, die alles in Empfang nehmen. Das ist alles, was ich weiß. Ich schwöre, daß es so ist.«
    Mouna drehte eine neue Runde. Alle im Zelt blickten sie an. Keiner der Palästinenser ergriff auch nur die kleinste Initiative.
    Es war unverkennbar, daß sie das Kommando führte. Sie dachte eine Zeitlang nach. Ihre Uniformhosen waren ein wenig zu groß und schlotterten ihr um die Beine, aber Carl dachte, daß es nicht den geringsten Grund gab, diese Frau für eine komische Figur zu halten. Sie hatte in einer der geheimsten und exponiertesten Abteilungen der PLO lange überlebt, nämlich dem Nachrichtendienst Jihaz ar-Rased. Sie war ein eiskalter und fähiger Offizier in einem der durch Krieg am meisten verwüsteten Gebiete der Welt.
    »Also gut«, sagte sie schließlich. »Dies ist kein Spiel, und wir sind nicht darauf aus, nett zu euch zu sein. Wir wollen Ergebnisse und haben nur eine Stunde Zeit. Die da ist deine Frau, nicht wahr?«
    Sie nickte zu Barbara hinüber.
    »Na schön, dann schneiden wir sie in kleine Stücke, bis du redest. Wenn wir damit fertig sind, kommt du dran. Knebelt die Frau wieder!«
    Zwei junge Männer sprangen blitzschnell auf und führten den Befehl aus. Ein kurzgeschorener, schon leicht grauhaariger Mann, der etwas älter war als die anderen, erhob sich schwer und nahm ein Bajonett in die Hand. Eine lange Narbe auf der linken Wange verlieh ihm ein theatralisch grausames Aussehen.
    Carl sah zu Horst Ludwig Hahn hinüber, der völlig verzweifelt schien und den Tränen nahe war. Barbara jammerte und ächzte unter ihrem Knebel und wand sich wie ein Aal an ihrem Pfahl.
    Der Mann mit dem Bajonett ging zu ihr und riß ihr mit einem einzigen Ruck Bluse und BH ab.
    »Hört auf«, sagte Carl zu Mouna. »Es stimmt. Wir wollten morgen abreisen. Die da weiß gar nichts, und ich weiß selbst auch nicht mehr, als er gesagt hat. Die Lieferung könnt ihr nicht mehr verhindern, aber das macht nichts. Du mußt mir schon vertrauen, Mouna.«
    Er sah zu Boden. Mouna zögerte.
    »Du weißt doch, daß ich dir die Rosen geschickt habe. Du mußt mir ganz einfach vertrauen«, fuhr Carl fort. Er war keineswegs davon überzeugt, daß er richtig handelte. Möglicherweise würde er hinterher erklären können, wieso er Kontakte zu Palästinensern hatte. Es würde allerdings schon schwerer sein zu erklären, wie und warum die PLO sie hatte laufen lassen. Er machte sich

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