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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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unnötig gewagt?«
    »Das Risiko ist gering.«
    »Warum diese plötzliche Aufwallung humanitären Mitgefühls, wenn die hier nicht deine Genossen sind?«
    »Sie sollen ins Gefängnis und nicht ermordet werden. So ist nun mal unser System, Mouna.«
    »Du befindest dich jetzt im Nahen Osten.«
    »Ja, ich bin mir dessen tatsächlich sehr unangenehm bewußt.« Sie drehte eine neue Runde durch das Zelt und erteilte dann einige Befehle auf arabisch. Der ältere der Palästinenser sowie zwei weitere standen auf und gingen hinaus. Mouna folgte ihnen, wandte sich im Eingang aber noch einmal um.
    »Wir werden kurz beraten. Ich kann eine solche Entscheidung nicht allein treffen«, sagte sie und verschwand in die Dunkelheit.
    Carl blieb stehen. Die vier verbliebenen jungen Palästinenser tranken ihren Tee mit unbeweglichen Gesichtern. Carl glaubte, einen von ihnen wiederzuerkennen, war sich aber nicht sicher.
    Er spürte, wie ihm die glühenden Blicke der beiden Mitgefangenen den Rücken durchbohrten. Er holte tief Luft und dreht sich dann zu Barbara um.
    »Es tut mir leid. Ich bedaure, daß es so gekommen ist«, sagte er und versuchte ihr die Wange zu streicheln, aber sie wandte heftig das Gesicht ab.
    »Du mußt verstehen«, fuhr er fort, »und auch du, Horst, daß ihr den Krieg bekommt, den ihr selbst begonnen habt. Ich tue meine Arbeit. Ich bin Offizier und verteidige mein Land gegen den von euch geplanten Angriff. Das ist sehr einfach, Horst, das mußt du verstehen.«
    »Bullenschwein, gottverdammtes Bullenschwein«, fauchte Horst Ludwig Hahn zwischen zusammengebissenen Zähnen.
    Carl seufzte. Er ging zu der blauen Teekanne und füllte sich ein Glas ein. Der Tee war bitter, stark und süß. Er wandte sich wieder zu den beiden Gefangenen um, die ihn unverwandt voller Haß anstarrten. Das war ihre Antwort, bevor er überhaupt etwas erklärt hatte.
    »Ich werde versuchen, euch hier herauszuholen, das muß euch doch klar sein. Ihr hättet nicht die geringste Überlebenschance.
    Ihr wißt vielleicht nicht einmal, wer diese Genossen hier sind? Es ist der Jihaz ar-Rased, meine palästinensischen Kollegen, der zweitbeste Sicherheits und Nachrichtendienst des Nahen Ostens. Es sind Vollprofis. Und die haben für Figuren wie euch keinerlei sentimentale Schwächen. Wie etwa ich.«
    »Du bist ein Bullenschwein und Verräter und sollst das Maul halten«, fauchte Horst Ludwig Hahn. Carl konnte nicht umhin, darüber zu staunen, wie sehr sich der sympathische junge Kulturgeograph plötzlich verändert hatte. Diese haßerfüllten Augen öffneten sich zu dem schwarzen Loch, das diese Terroristen alle in sich haben mußten. Dieses Verhalten war völlig hirnlos. Der Terrorist Hahn hätte besser daran getan, sich mit Carl zu verständigen, um zu überleben. Er hätte sich nie so gehen lassen dürfen.
    Carl trank seinen Tee aus und stellte das Glas neben der Feuerstelle ab. Er überlegte, ob er sich zu den anderen setzen oder hinausgehen sollte. Er fühlte sich unangenehm berührt von den bohrenden bösen Blicken. Ein letztes Mal wollte er es noch versuchen.
    »Möglicherweise ist die Bezeichnung Bullenschwein aus deiner Sicht berechtigt, Horst«, erklärte er leise. »Aber ich bin kein Verräter. Gerade das bin ich nicht. Ich bin nicht zu euch übergelaufen. Ich wäre ein Verräter gewesen, wenn ich es getan hätte, oder? Ich bin ganz einfach dein Feind wie alle anderen Bullen.«
    »Die Waffen werden ankommen. Du weißt nicht, wo und auf welchem Weg. Niemand wird dir glauben, wenn du lebendig und munter allein nach Hamburg zurückkehrst, wie du gesagt hast. Die Genossen werden dich hinrichten, wie du es verdienst, wenn du dich auch nur in der Nähe der Breiten Straße oder der Peterstraße blicken läßt. Du hast keine Chance.«
    »Peterstraße? Aha, da sitzt also das Kommando Siegfried Hausner. Du bist unachtsam, Horst. Wir brauchen nur eine einzige Straße zu durchsuchen, und dann werden wir auch die anderen finden. Was euch betrifft, ist dieses entsetzliche Spiel zu Ende. Warum zum Teufel beschäftigst du dich nicht lieber mit islamischer Kunst?«
    Carl wartete die Antwort gar nicht erst ab, sondern wandte sich ab. In diesem Moment erschien Mouna mit ihren Begleitern im Zelt. Sie sah konzentriert und entschlossen aus.
    »Wir haben eine Entscheidung getroffen«, sagte sie mit harter Stimme. »Es ist eine unwiderrufliche Entscheidung. Diskussionen wird es nicht geben. Du behauptest, daß dies nicht deine Genossen sind und daß du immer noch

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