Der demokratische Terrorist
syrischen Armee angehören, fuhren aber trotzdem in einem Armeelastwagen, den sie offenbar gestohlen hatten. Carl dachte an ihre Nervosität.
Schiiten, die irrtümlich ein paar westliche Geschäftsleute entführt hatten? Nein, unmöglich. Nicht mitten in Damaskus. Und wozu dieser Aufwand und dieses große Risiko, mit den Syrern zusammenzustoßen, wo es in Beirut wahrhaftig genug Objekte in bequemerer Reichweite gab? Und warum waren sie unterwegs nach Beirut? Würden sie die Grenze überqueren? In dem Fall wäre der Grenzübergang die letzte Chance, aus dem Wagen zu springen. Aber auch das kam Carl nicht wahrscheinlich vor.
Er gab es auf, weiter nachzudenken. Er würde auf alle Fragen eine Antwort erhalten, was immer er jetzt mutmaßte. Er drückte Barbara fest die Hand und versuchte, sich mehr um die durch Europa gondelnden RPG 18 Sorgen zu machen als um das, was mit ihm selbst geschehen würde. Dieser Versuch gelang ihm nur zum Teil.
Der Lastwagen quälte sich inzwischen auf einem kleinen, recht steilen Kiesweg bergauf. Durch einen Spalt in der Persenning am hinteren Ende der Ladefläche sah Carl dunkle Schatten von Bäumen. Sie fuhren in einen kleinen Wald hinein. Der Lastwagen fuhr offenbar mit abgeschalteten Scheinwerfern.
Plötzlich hielt er an, und der Motor verstummte. Zunächst war es völlig still, und dann erschienen ein paar Männer, die offensichtlich schon gewartet hatten, öffneten die Ladeplane und gaben den Bewachern ein Zeichen, sie sollten die Gefangenen aussteigen lassen. Sie wurden unsanft hinausgestoßen. Barbara stolperte und fiel hin. Jemand eilte herbei und hob sie vorsichtig und recht freundlich auf. Dann führte man sie zu einem großen schwarzen Zelt. Es sah aus wie in einem Beduinenlager. Im Innern brannte eine einzige Petroleumlampe. Dort wartete also die Antwort auf alle Fragen und möglicherweise auch das Ende der Reise.
Carl wurde zunächst von dem Licht geblendet. Als sich seine Augen daran gewöhnt hatten, begann er zu verstehen. In der Mitte des Zelts, dort, wo es am höchsten war, hatte man drei kräftige Holzpfähle in den Boden gerammt. Die drei Entführten wurden von ihren Bewachern an die Pfähle gefesselt, während zwei Personen, ein Mann und eine Frau, den Vorgang beobachteten. Sie saßen mit gekreuzten Beinen auf dem Fußboden und hielten Teegläser in den Händen.
Nachdem man sie gefesselt hatte, schnitt man ihnen die Knebel auf. Die Frau mit dem Teeglas stand langsam und etwas steif auf.
»Willkommen bei der PLO«, begann Mouna auf englisch.
»Ich werde euch jetzt erklären, warum wir diese Aktion nicht zulassen können, die ihr vorhabt. Ich werde euch auch sagen, was wir wissen und was nicht. Wir wissen, daß dieser Gangster Abu Nidal euch mit bestimmten Waffen ausgestattet hat, und wir wissen auch, daß ihr eine Aktion gegen ein amerikanisches Ziel in Europa vorbereitet. Wir gehen davon aus, daß Abu Nidal wie gewöhnlich daran interessiert ist, daß es zu einer Katastrophe kommt. Ich werde euch erklären, was das bedeuten kann.«
Sie machte eine Pause und drehte vor den drei Gefangenen eine Runde. Sie verriet mit keiner Miene, daß sie Carl kannte. Die anderen Palästinenser hatten sich bequem zurechtgesetzt, nachdem sie sich aus einer blauen Blechkanne auf der Feuerstelle weiter hinten Tee eingegossen hatten. Zwei von ihnen trugen syrische Armeeuniformen. Das mußten also die Männer sein, die den Wagen durch die Straßensperren gefahren hatten.
»Für das palästinensische Volk läuft die Sanduhr allmählich ab«, fuhr Mouna fort. »Die Verhandlungsinitiativen, die wir jetzt gemeinsam mit Jordanien betreiben, sind für viele Jahre unsere letzte Chance zu einem diplomatischen Durchbruch.
Wenn dieser Versuch zum Teufel geht, ist unsere Lage verzweifelt. Ihr und Abu Nidal seid dabei, nach Kräften dazu beizutragen. Ist euch klar, was das bedeutet? Kapiert ihr mit euren verkümmerten kleinen Terroristengehirnen, was ihr gerade anrichtet? Wie werden die Amerikaner darauf reagieren?
Und die Israelis? Nicht genug damit, daß die Amerikaner einen Grund finden werden, sich aus der jüngsten Verhandlungsrunde zurückzuziehen. Was werden sie dann wohl tun? Was meint ihr?
Werden sie selbst oder die Israelis Damaskus bombardieren? Und wenn es den Israelis gelingt, den Krieg anzuzetteln, den sie sich im Augenblick mehr als alles andere wünschen, was habt ihr dann angerichtet? Der Krieg im Libanon von 1982. begann, weil dieser verfluchte Abu Nidal in London einen
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