Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
langsam. Er fühlte sich merkwürdig schlapp. Mouna erteilte auf arabisch einen Befehl, worauf die jungen Männer sofort mit dem Abbruch des Lagers begannen. Sie trugen ihre Waffen und einen Sender, der Carl verborgen geblieben war, hinaus und luden alles auf einen wartenden Landrover.
    Der ältere der palästinensischen Soldaten trat dicht an Carl heran und versetzte ihm plötzlich einen heftigen Schlag. Carl schaffte es nicht mehr zu sehen, was es war, vermutete aber einen Gewehrkolben. Der Schlag traf die Wange und riß eine große Platzwunde auf. Danach hagelt ein Schauer von Faustschlägen auf sein Gesicht. Das war ebenso schnell wie wirkungsvoll.
    Er empfand keinen Schmerz, da er sich in einem Schockzustand befand.
    Kurz darauf hörte er, wie ein Motor ansprang. Blut lief ihm übers Gesicht. Er konnte nicht deutlich erkennen, ob Mouna allein vor ihm stand, aber es schien so zu sein.
    »Das alles ist sehr bedauerlich, aber notwendig, Carl«, sagte sie.
    Sie beugte sich hastig vor und küßte ihn schüchtern auf die Wange. »Weißt du noch? Du hast mich geküßt, bevor wir eine dieser Straßensperren überwinden mußten.«
    Carl nickte schwach, ohne zu antworten.
    »Du weißt doch, Carl, daß ich auch Krankenschwester bin. Ich arbeite seit jetzt mehr als zehn Jahren im Krieg, nicht wahr?«
    Carl nickte erneut. Er war noch immer ganz benommen von der Mißhandlung, konnte nur träge denken und verstand nicht, worauf sie hinauswollte.
    »Was ich jetzt tue, tue ich, weil ich deine Freundin bin, weil ich dir vertraue und weil ich Liebe zu dir empfinde, Carl. Liebe, Carl, das ist nichts, was du mißverstehen solltest, aber ich habe mich trotzdem richtig ausgedrückt.«
    Während sie sprach, hatte sie vorsichtig sein blutverschmiertes Hemd geöffnet und seine Brust entblößt.
    »Es wird schnell gehen, Carl, und schlimmer aussehen, als es ist. Glaub mir. Und vergiß nicht: Ihr habt nichts gesagt. Wir hatten keine Zeit mehr, zu Ende zu kommen. Eure Waffen sind also unterwegs. Die Tatsache, daß auch du gefoltert worden bist, ist sowohl für die Syrer wie für die deutschen Gangster ein Beweis.«
    Carl versuchte, zu ihr aufzublicken, aber das Blut lief ihm in die Augen. Er konnte nicht mehr erkennen, als daß sie ein Messer gegen ihn erhob.
    Sie schnitt ihm blitzschnell fünf tiefe Furchen in die Brust. Es brannte kurz wie bei einer leichten Brandwunde; ihr Messer mußte sehr scharf sein.
    Es war, als hätte der Schmerz Adrenalin in ihm freigesetzt. Er kam urplötzlich zu sich.
    »Wo sind die anderen?« fragte er mit zusammengebissenen Zähnen.
    »Die gehen in etwa zehn Minuten über die Grenze. Etwa gleichzeitig werden die Syrer hier eintreffen und dich finden.«
    Sie steckte ihr Messer ein, zog eine Pistole aus dem Holster und entsicherte sie, wobei sie die Mündung auf die Erde richtete.
    »Ich mache mich gleich allein auf den Weg. Die anderen haben eine falsche Spur gelegt. Carl, du weißt, daß ich auch Krankenschwester bin. Vertraust du mir?«
    »Ja.«
    »Dies ist eine Walther 7,65.«
    »Ich sehe. Die Waffe der schwedischen Polizei und des britischen Nachrichtendienstes. Und?«
    »Die Munition ist vollummantelt.«
    »Ja, und?«
    Mehr sagte sie nicht. Ihre Finger suchten tastend nach einer Stelle irgendwo unterhalb seines linken Schlüsselbeins. Dann setzte sie die Pistolenmündung an die Stelle und drückte sofort ab. Der Aufprall des Geschosses warf Carl nach hinten. Er hatte das Gefühl, als hätte er einen harten Faustschlag erhalten. Dann suchte Mouna nach einer neuen Stelle an der Außenseite seines rechten Oberschenkels und wiederholte die Prozedur. Diesmal spürte er den Schmerz. Dann war ihm zumute, als würde er gleich ohnmächtig werden. Er konnte noch hören, wie sie vier weitere Schüsse abgab, spürte jetzt aber nichts mehr.
    Brennender Durst ließ ihn aufwachen. Er schlug die Augen auf und entdeckte nach kurzer Verwirrung, daß er nur auf einem Auge sah. Das zweite war zugeschwollen und vermutlich auch bandagiert. Er fixierte einen Riß an der weißen Zimmerdecke.
    Dann hob er den Kopf, fiel aber sofort wieder zurück, da er in der linken Schulter und im Schulterblatt einen brennenden Schmerz spürte. Er bewegte sich vorsichtig. Das eine Bein war steif und verbunden. Er schloß die Augen oder vielmehr das Auge und versuchte, die Situation zu begreifen.
    Er lag in so etwas wie einem Krankenhausbett, in einem kahlen und relativ finsteren Zimmer. Er erinnerte sich schwach an das Bild von Soldaten, die mit

Weitere Kostenlose Bücher