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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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sie hatten es plötzlich sehr eilig. Es gab eine Art Alarm. Ich kann mich schwer erinnern, sie hatten mich übel zugerichtet.«
    »Was ist das letzte, woran Sie sich erinnern?«
    »Daß es so etwas wie eine Panik gab. Wahrscheinlich, weil Sie gekommen sind. Sie rannten eine Zeitlang wie aufgescheuchte Hühner hin und her, und dann erschossen sie das Mädchen, das immer noch lebte. Dann schossen sie auf mich.
    Das glaube ich jedenfalls.«
    Carl überlegte, ob er richtig geraten hatte. Er erinnerte sich, daß Mouna zwei Schüsse auf ihn abgegeben hatte, aber dann hatte er noch weitere Schüsse gehört und gedacht, daß auch die ihn irgendwo getroffen hatten. Soweit er es jetzt aber spüren konnte, hatte er nur zwei Schußverletzungen. Höchstwahrscheinlich hatte Mouna also die beiden weiteren Kugeln auf die schon tote Barbara abgefeuert, ja, es mußte Barbara gewesen sein, denn so wie Horst Ludwig Hahn ausgesehen hatte, wäre es des Guten ein wenig zuviel gewesen, ihn noch erschießen zu wollen.
    Der Offizier war aufgestanden und an ein Fenster getreten. Carl konnte ihn nicht sehen. Wenn der syrische Sicherheitsdienst zu der Ansicht kommt, daß der schwedische Sicherheitsdienst weiß, was die Syrer geliefert haben, werden diese sich als nächstes fragen, was sie mit mir tun sollen, grübelte Carl träge weiter. Sie wissen aber nicht, daß niemand eine Ahnung davon hat, wo ich mich befinde, und sie wissen nicht, daß ich auch Sicherheitsmann bin.
    »Wie ich schon sagte, ist Ihre Lage sehr ernst. Ich muß Ihnen nochmals und in allem Ernst raten, mit uns zusammenzuarbeiten«, fuhr der Oberstleutnant hinten am Fenster fort: »Wir haben eine sehr klare Vorstellung davon, was diese palästinensischen Terroristen erfahren wollten. Sie sagen, sie hätten es nicht erfahren, und das ist schon sehr gut. Ihre Verwundung und das Gesamtbild bestätigen diese Version. Sie waren hier, um Waffen zu beschaffen, nicht wahr?«
    »Wenn das so ist, dann aber nur mit Zustimmung des syrischen Sicherheitsdienstes, nicht wahr?« entgegnete Carl ironisch. Er war mit sich zufrieden, daß ihm diese Formulierung eingefallen war.
    »Ich werde aufrichtig zu Ihnen sein«, sagte der Oberstleutnant und kehrte zu seinem Stuhl neben Carls Bett zurück. Der Mann hatte einen kleinen Schnurrbart und abstehende Ohren, was ein wenig an Clark Gable erinnerte. »Für solche Transaktionen sind nicht wir zuständig, sondern der Nachrichtendienst. Als der mich ins Bild setzte, hat sich der Betreffende nicht sonderlich klar ausgedrückt. Nun, er wird seine Gründe gehabt haben. Ich habe aber die Aufgabe, herauszufinden, was die palästinensischen Terroristen über diese Waffengeschichte in Erfahrung gebracht haben. Verstehen Sie?«
    Carl lächelte, daß seine Gesichtshaut spannte. Er verstand sehr wohl. In Syrien war es also genauso wie in allen anderen Ländern. Sicherheitsdienst und Nachrichtendienst trauten einander nicht über den Weg und gaben nicht mehr Informationen aus der Hand als absolut notwendig. Carls Situation verbesserte sich entscheidend.
    »Es ist also der Sicherheitsdienst, der jetzt für mich verantwortlich ist?« wollte er wissen.
    »Ja, ich bin für Sie verantwortlich.« Carl beschloß, die Taktik zu wechseln.
    »Können wir ganz aufrichtig sein?« fragte er.
    »Ja, natürlich. In Ihrer Lage ist Aufrichtigkeit überdies höchst ratsam«, erwiderte der Oberstleutnant und betrachtete Carl forschend. Dann beugte er sich vor. Carl spürte einen schwachen, unangenehmen Hauch. Der Geruch erinnerte an Knoblauch, aber es war noch etwas anderes.
    »Reden wir doch nicht länger um den heißen Brei herum: Sagen Sie mir, was Sie wissen müssen und worauf Sie verzichten können«, fuhr Carl fort. Der Oberstleutnant dachte kurz nach.
    »Ich muß wissen, ob die Palästinenser etwas von entscheidender Bedeutung erfahren haben, und wenn ja, was.«
    »Dann lautet die Antwort nein. Sie haben nicht bekommen, worauf sie aus waren.«
    »Es ging um Ihre Waffengeschäfte mit… äh, mit anderen Palästinensern hier in Damaskus?«
    »Ja.«
    »Was wollten die?«
    »Sie wollten die Lieferung stoppen. Sie wollten sich erst dann einverstanden erklären, wenn wir ihnen nähere Angaben machten, die ihnen eine Mitwirkung akzeptabel erscheinen ließen.«
    »Und die bekamen sie nicht?«
    »Nein. Nur einer von uns kannte die näheren Einzelheiten. Und den haben sie als ersten getötet. Wir anderen hätten diese Details niemals erläutern können, selbst wenn wir uns hätten

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