Der demokratische Terrorist
hielt.
»Aha, Hamilton. Wie ich sehe, haben wir uns in eine üble Lage gebracht«, begrüßte ihn der Schwede munter in ihrer Muttersprache, als er im Krankenzimmer stand. Dieses Auftreten war absolut unmöglich. Es ließ sich zum Teil mit den begrenzten intellektuellen Fähigkeiten des Diplomaten erklären, leider aber auch damit, daß er Carls Identität kannte und wußte, daß sie sich beim letztenmal in Beirut im Auftrag der schwedischen Sicherheitspolizei begegnet waren. »Halt die Schnauze und hör mir zu. Es kann sein, daß wir abgehört werden«, unterbrach Carl. »Setz dich hin und sag kein Wort mehr.«
Er wartete ab, bis sein Besucher dem Befehl nachgekommen war, bevor er fortfuhr.
»Ich wünsche, daß ihr mich so schnell wie möglich hier rausholt, am liebsten schon morgen. Unter meinen Sachen im Hotel befindet sich auch Geld. Bezahlt meine Hotelrechnung damit. Die Rechnungen der anderen Personen brauchen dich nicht zu kümmern. Ich will mit euch nichts weiter zu tun haben und das Land auf dem schnellsten Weg verlassen. Ist das klar?«
»Ich muß gestehen, daß ich deinen Ton angesichts dessen, was geschehen ist, außerordentlich unpassend finde«, entgegnete der zweite Botschaftssekretär, der seine dienstlichen Aufgaben im Libanon aus Sicherheitsgründen neuerdings von Damaskus aus abwickelte. »Es ist ja etwas Furchtbares passiert. Zwei tote Europäer, und…«
»Ich weiß Bescheid, ich war nämlich dabei«, schnitt ihm Carl das Wort ab. »Was ist übrigens mit den toten Schweizern geschehen?«
»Man hat sie der Schweizer Vertretung hier übergeben. Ich nehme an, daß man sie jetzt säuberlich verpackt nach Hause schickt.«
»Wie lange wird das dauern?«
»Uns selbst bleibt diese Prozedur ja erspart, aber ich könnte mir vorstellen, daß es schon ein paar Tage dauern wird.«
»Gut. Also noch einmal: Ich will weg hier. Ich will meinen Paß, mein Geld und das Flugticket zurückhaben und dann nichts mehr von euch sehen.«
»Aber ich muß doch einen Bericht für das Außenministerium schreiben…«
Carl biß die Zähne zusammen. Eigentlich müßte er diesem Idioten sagen, daß sie beide in eine Sicherheitsaffäre verwickelt seien und daß von irgendwelchen Berichten keine Rede sein könne, denn er, Carl, werde natürlich selbst über alles Bericht erstatten, was die schwedischen Behörden interessiere. Aber dieser Idiot begriff das nicht. Und Carl konnte sich nicht näher erklären, da ein abgehörtes Gespräch entweder ihn oder zwanzig Amerikanern in Stockholm das Leben kosten konnte.
»Du kannst dir deinen Bericht in den Hintern stecken, du elender Imperialistenlakai. Ich habe kein Verbrechen begangen und stehe auf keiner Fahndungsliste. Folglich habt ihr nichts mit mir zu schaffen. Du hast nur eine verdammte Pflicht: nämlich schnellstmöglich dafür zu sorgen, daß ein angeschossener schwedischer Staatsbürger dieses Land verlassen kann. Das ist alles.«
Carl schloß die Augen und lehnte sich zurück. Die Proteste des Diplomaten gegen seinen unangemessenen Sprachgebrauch und so weiter nahm Carl schon gar nicht mehr wahr. Seine letzte Bemerkung mußte sich in den Mikrophonen gut machen.
»Imperialistenlakai«, das war ein schöner Einfall. Das würde sich schriftlich und in arabischer Übersetzung hervorragend machen. Es paßte zum Bild eines Terroristen.
Carl weigerte sich, die Augen zu öffnen, bis der beleidigte Diplomat in dem eleganten Zweireiher das Zimmer verlassen hatte.
Die folgenden vierundzwanzig Stunden wurden durch intensive Streitereien zwischen dem Sicherheitsdienst und dem Nachrichtendienst Syriens geprägt. Die Sicherheitsleute äußerten den Verdacht, der Nachrichtendienst habe sich mal wieder irgendeinen Terroranschlag ausgedacht dazu noch im Verein mit westdeutschen Terroristen, was ungefähr das Schlimmste sei, was man sich vorstellen könne. Der Minister durfte nichts davon erfahren. Von solchen Dingen wollte er nichts wissen, da das Regime mit in die Verantwortung gezogen werden könnte.
Der Chef des Sicherheitsdienstes forderte den Rücktritt seines Kollegen beim Nachrichtendienst. Dieser weigerte sich aber hartnäckig, die Verbindung zwischen Abu Nidal, bestimmten westdeutschen Terroristen und bestimmten Waffenlieferungen offenzulegen. Hingegen bestätigte er, daß der Deutsche, der als erster von den Palästinensern ermordet worden sei, als einziger der drei von den Modalitäten der Lieferung Kenntnis gehabt habe. Diese sei im übrigen vor weiteren Einmischungen
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