Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
der PLO sicher. Es gebe keinen Grund zu der Annahme, daß die drei europäischen Guerillakämpfer einander von der Lieferung erzählt hätten. Wenn es so gewesen wäre, wären alle Vorsichtsmaßnahmen überflüssig gewesen. Dieses Vorgehen sei der Ausdruck eines professionellen und gesunden Sicherheitsdenkens, das sich diesmal ja auch bezahlt gemacht habe.
    Der syrische Nachrichtendienst jedoch schickte eine Anfrage nach einem gewissen schwedischen Marinekapitän namens Carl Gustaf Gilbert Hamilton an einige Adressen. Da es sich um einen Soldaten handelte, ging die Anfrage zunächst an den Vertreter des GRU bei der sowjetischen Botschaft in Damaskus.
    Von dort schickte man eine verschlüsselte Anfrage sowohl nach Moskau wie an die Stockholmer GRU-Residentur.
    In Stockholm saß Oberst Jurij Tschiwartschew, Chef des GRU, des militärischen Nachrichtendienstes der UdSSR, der Konkurrenzorganisation des KGB, in seinem Dienstzimmer mit Ausblick auf das Redaktionshaus von Svenska Dagbladet. Jurij Tschiwartschew fand das äußerst bemerkenswert, ja fast unglaublich, daß ein Offizier der schwedischen Marine etwas mit obskuren Waffengeschäften deutscher Terroristen mit Verbindung nach Syrien haben sollte. Anfänglich brachte er über Hamilton nicht viel in Erfahrung. Tschiwartschew stellte nun fest, daß er im Personalverzeichnis der schwedischen Streitkräfte tatsächlich als Reserveoffizier der Marine geführt wurde, jedoch als Leutnant und nicht als Kapitän.
    Von der Moskauer Zentrale jedoch kam nach einigen Tagen eine kleine Notiz, die sich auf eine äußerst unbedeutende, in diesem Zusammenhang jedoch wichtige Publikation über Medaillen und Auszeichnungen in Schweden in diesem Jahr berief. Dort war ebenfalls dieser Hamilton genannt, und neben seinem Namen stand eine rätselhaft kurze Notiz: Gustavs 11.
    Med.. und dann die Jahreszahl.
    Jurij Tschiwartschew verbrachte einen halben Tag damit, herauszufinden, was es damit auf sich hatte. Wie sich zeigte, hatte sich die Mühe gelohnt. Die Medaille König Gustavs 11.
    für Tapferkeit im Felde war in neuerer Zeit keinem schwedischen Offizier mehr verliehen worden.
    Warum, fragte sich Jurij Tschiwartschew, sollte ein schwedischer Offizier eine Auszeichnung für etwas erhalten, was nur mit kriegerischen Handlungen in Verbindung zu bringen war?
    Der letzte Krieg Schwedens war Anfang des neunzehnten Jahrhunderts gegen Rußland geführt worden, wie sich Tschiwartschew lächelnd erinnerte.
    In welcher Absicht hielt man eine derart sensationelle Auszeichnung so gut wie geheim? Wer bei den schwedischen Streitkräften oder den Sicherheitsbzw. Nachrichtendiensten hatte sich im vergangenen Jahr eine solche Auszeichnung verdienen können? Tschiwartschew saß allein und reglos an seinem Schreibtisch und betrachtete die ein paar hundert Meter entfernte Leuchtreklame von Svenska Dagbladet, der aggressiv antisowjetischen Tageszeitung, die er mehr als alles andere in Schweden verabscheute.
    Dann ging ihm ein Licht auf. In westlichen Nachrichtenorganen hatte es Gerüchte gegeben, die Aktion des schwedischen Sicherheitsdienstes gegen die israelischen Saboteure am vergangenen Jahresende sei in Wahrheit von einem einzigen Mann durchgeführt worden, der unter dem Decknamen Coq Rouge geführt wurde.
    Aha, wahrhaftig, lächelte Jurij Tschiwartschew, da haben wir dich also, mein lieber Coq Rouge. Graf und Offizier der Marine, sieh mal einer an. Nun, dann wird es in Deutschland wohl bald einen Knall geben. Gott steh euch bei, ihr Terroristen, aber ihr bekommt, was ihr verdient.
    Tschiwartschew klappte zufrieden die dünne Aktenmappe zu, die vor ihm lag, zog seinen Füllhalter heraus und beschriftete den Ordner langsam und in lesbarer Schrift: COQ ROUGE, ALIAS LEUTNANT CARL GUSTAF GILBERT GRAF HAMILTON.
    Dann ging er mit dem Ordner zu seinem Panzerschrank, schloß die Akte ein, machte das Licht aus und ging nach Hause. Er hatte keineswegs die Absicht, seinen Kollegen in Damaskus mitzuteilen, was er herausgefunden hatte. Das hatte Zeit bis später. Er wollte abwarten, bis es in der Bundesrepublik geknallt hatte. In der jetzigen Lage Angaben über diesen jungen Kollegen durch die Gegend zu schicken, der sich in einer schwierigen, schwer zu lösenden Situation mit zahlreichen Risiken befand, wäre alles andere als verantwortungsbewußt gewesen. Es kann immer passieren, daß Informationen in falsche Hände geraten. Auf dieser Erkenntnis bauen sowohl GRU und KGB als auch ihre Verbündeten und Feinde ihre

Weitere Kostenlose Bücher