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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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würde. Dieser letzte Hinweis war unerhört wichtig. SET Gelb und SET Blau sollten als erste in die Wohnung eindringen. Jeder Mann mußte sich einprägen, daß Hauptmann Charlie im Eifer des Gefechts nicht angegriffen werden durfte, wie chaotisch es auch zugehen würde. Hans May erklärte, Hauptmann Charlies Besuch in St. Augustin habe der Vorbereitung dieser Aktion gegolten. Er fuhr fort: »Ich glaube zwar, die eine oder andere abfällige Bemerkung über den Ausländer gehört zu haben, aber ich weise nachdrücklich darauf hin, daß ihm nichts Vermeidbares passieren darf.« Nach einigem Nachdenken fuhr der Oberst fort: »Der Verfassungsschutz hat fieberhaft daran gearbeitet, die unmittelbaren Nachbarn sowie die Besucher der nächstliegenden Wohnungen zu überprüfen. Wir müssen davon ausgehen, daß mindestens zwei der darunterliegenden Wohnungen in Mitleidenschaft gezogen werden können, aber trotzdem dafür sorgen, daß die gesamte Ausrüstung nach oben kommt, ohne daß der Feind gewarnt wird. Dies ist übrigens der empfindlichste und riskanteste Teil der gesamten Aktion. Was die eher artistischen Einlagen betrifft, hege ich keine Befürchtungen. Immerhin sind wir die beste Anti-Terror-Truppe der Welt. Und was uns jetzt bevorsteht, ist der größte Schlag, den wir je geführt haben. Sollten sich Hauptmann Charlies Informationen als zutreffend erweisen, dürften wir davon ausgehen, mit einem Schlag etwa ein Dutzend Terroristen zu schnappen. Das wäre ein einmaliger Erfolg.«
    Loge Hecht legte die Stirn in tiefe Sorgenfalten. Die Franzosen hatten in scharfem, fast unverschämtem Ton dementiert, daß ihr Nachrichtendienst irgendwelches Personal in eine gegenwärtig tätige euro-terrorisische Organisation eingeschleust habe.
    Falls das den Tatsachen entsprach, gab es nur eine denkbare Erklärung: daß dieser Näslund insgeheim ein eigenes Süppchen kochte. Die Schweden hofften wohl immer noch, möglicherweise mit französischer Hilfe, selbst den großen Schlag führen zu können. Hecht brachte einiges Verständnis dafür auf, denn immerhin war es der Mann Näslunds, der sozusagen den Tisch gedeckt hatte. Allerdings war es kindisch und alles andere als professionell, sich so zu verhalten. Loge Hechts Vertrauen in den schwedischen Sicherheitsdienst war ohnehin nicht übertrieben groß.
    Aber wie hatten die Schweden von der Waffenlieferung Kenntnis erhalten? Nur dadurch waren sie in die Lage gekommen, bei den Franzosen Alarm zu schlagen und den Waffentransport schützen zu lassen. Hatte Hamilton etwa Informationen zurückgehalten, die er nur seinen offiziellen Vorgesetzten weitergegeben hatte?
    Verständlich wäre das schon, aber alles andere als erfreulich.
    Die Konferenzteilnehmer sollten in kleinen Gruppen und in bestimmten, vorher festgelegten Zeitabständen erscheinen. Ein orangefarbenes Licht auf dem Balkon im Obergeschoß der Wohnung sollte signalisieren, daß die Luft rein sei.
    Es hatte sich ergeben - ob durch Zufall, wollte Carl nicht recht glauben -, daß er und Monika als letzte in die Wohnung kommen sollten. Wahrscheinlich hatte sie die Auslosung mit Martins Hilfe manipuliert.
    Sie flanierten durch die Innenstadt. Hamburg erlebte den ersten Schneefall dieses nebligen Winters. Die beiden gingen eng umschlungen. In der Tasche seines neuen Lammfellmantels umklammerte Carl das Zusatzmagazin für seine Beretta. In der Brusttasche steckte die Zusatzpatrone. Er kämpfte mit einer schweren Versuchung.
    Monika erzählte, sie sei am Vormittag in der Staatsbibliothek gewesen und habe Angaben über Mozarts Fagottkonzert KV 191 nachgeschlagen, von dem er ihr erzählt habe. Es könne durchaus sein, erklärte sie, daß seine Phantasien im Krankenbett des muffigen Hotels in St. Pauli den Tatsachen entsprächen. Sie habe herausgefunden, daß das Konzert 1774 in Salzburg entstanden und offenbar eine Auftragsarbeit für einen Fagott-Dilettanten namens Thaddaeus Freiherr von Dürnitz gewesen sei.
    »Dann habe ich mit meiner Vermutung also recht gehabt«, sagte Carl. »Wenn man sich das Konzert anhört, hört man deutlich, wie das Orchester um das Fagott herum alles trägt und das Fagott zwar den Eindruck erweckt, als zähme es das gesamte Orchester, obwohl es sich in Wahrheit genau umgekehrt verhält.«
    »Und trotzdem ist es so wunderbare und zugleich so einfache Musik geworden.«
    »Und ob. Dieser Freiherr hat hinterher ordentlich gefeiert. Das Konzert muß ein durchschlagender Erfolg gewesen sein. Und die überraschten

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