Der demokratische Terrorist
Zinsen für dieses kurzfristige Darlehen könnte er später dazu verwenden, Kapitaleinkünfte aus Immobilien und Wertpapieren zu verringern.
Hinzu kämen dann noch beträchtliche Instandsetzungskosten für seinen Immobilienbestand, und so werde sich herausstellen, daß er zwar ein Vermögen zwischen 15 und 25 Millionen Kronen besaß - eine exakte Zahl hatte man ihm noch nicht genannt-, seine Steuererklärung aber null Millionen ausweisen werde, was angeblich vollkommen legal war. Er sah keinen Anlaß, das zu bezweifeln.
Er hätte nur ein paar Papiere unterschreiben müssen. Warum hatte er sich geweigert und um einen Tag Bedenkzeit gebeten?
Noch vor wenigen Jahren war er Marxist-Leninist gewesen, jedenfalls hatte er sich so gesehen. Möglicherweise kam ihm diese Einschätzung heute fremd und übertrieben vor, als wäre sie etwas aus einer anderen Zeit, nämlich aus seinen Jahren bei der Studentenvereinigung Clarté. Er redete sich aber ein, trotzdem noch eine Art Sozialist zu sein.
Er hatte sich nicht darum gerissen, an der großen Vermögensumschichtung vom arbeitenden schwedischen Volk auf eine kleine Gruppe von Aktien-Matadoren und Börsenrittern teilzuhaben; es kam ihm vor, als wäre es aus Versehen geschehen oder auf Grund eines teuflischen Zufalls, wenn er daran dachte, wie es dazu gekommen war, was er immer wieder tat, um sich vor sich selbst zu rechtfertigen.
Sein Vater hatte ihn wegen seiner politischen Linkslastigkeit verachtet. In den letzten vier Lebensjahren des Vaters hatten sie sich nicht gesehen, und das Testament beließ Carl nichts außer dem Pflichtteil, was ihn weder erstaunt noch verbittert hatte.
Wie dem auch sei: Diese 300000 bis 400000 Kronen nach Abzug der Erbschaftssteuer hatte er einem Studienfreund bei der Börsenmaklerfirma Jacobson & Ponsbach übergeben und sich anschließend fünf Jahre in den USA aufgehalten.
Die Kosten hatte der schwedische Staat, die Armee, getragen, und Carl hatte an sein Aktiendepot nicht einen Gedanken verschwendet. In diesen orgiastischsten Jahren der schwedischen Börse stiegen die Kurse wie nirgendwo sonst auf der Welt, während sich gleichzeitig die komplette volkswirtschaftliche Professorengilde sowie die Politikerclique darin einig waren, die Bürger müßten ihren Konsum drosseln und ihre Gehaltsansprüche zurückschrauben und den Riemen enger schnallen und die Lasten solidarisch tragen, um die schwedische Volkswirtschaft wieder auf die Beine zu bekommen - und so weiter. In diesen Jahren war Carl zum Millionär geworden, ohne es zu wissen, ohne daran schuld zu sein, wie er es sich selbst einredete.
Als er aus den USA zurückkehrte und zu seiner Bestürzung entdeckte, was geschehen war, verkaufte er die Aktien sofort - steuertechnisch kein Problem, da er sie seit mehr als zwei Jahren besaß - und kaufte Immobilien. Was gar nicht so dumm war, da die Börse nachzulassen begann und Immobiliengeschäfte bei der neuen schwedischen Klasse der Multimillionäre und Milliardäre zum letzten Schrei wurden.
Es sah ganz einfach so aus: Falls er weiterhin noch an dem festhalten wollte, was er sein ganzes bewußtes Leben lang als geheiligte Grundsätze der Gerechtigkeit angesehen hatte, durfte es mit dieser Heuchelei nicht so weitergehen. Dann mußte er sich das Geld allerdings wegsteuern lassen, was sich nach Aussage der Bankexperten innerhalb von drei Jahren mühelos erreichen ließ, indem er sich einfach weigerte, diese ihm vorgelegten Papiere über dubiose Darlehen zu unterschreiben.
Das Problem bestand offenbar darin, daß man nicht nur mäßig reich sein konnte. Es war unmöglich, sich auf ein Niveau von etwa fünf Millionen festzulegen. Es hieß entweder - oder.
Entweder mußte er den schmalen legalen Weg gehen und sich das Geld insgesamt wegsteuern lassen. Oder er mußte den breiten legalen Weg einschlagen, was konkret bedeutete, daß er die jetzigen 15 bis 25 Millionen im Lauf weniger Jahre verdoppelt haben würde. Es war ein völlig absurdes Problem.
In diesem Moment, in dem er mit dem kleinkalibrigen Revolver Serie auf Serie schoß, waren alle diese Gedanken wie weggefegt. Wenn er aber mit dem Schießen aufhörte, würde das Chaos sofort explodieren.
Da war noch etwas, was ihn beinahe noch mehr quälte als die Frage, wie man im Umgang mit so eigenartig zusammengerafften Millionen in der Praxis Sozialist bleiben konnte.
Er hatte sich in seiner Handballmannschaft unmöglich gemacht, und das auf eine Weise, für die er sich nicht nur brennend
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