Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
schämte, sondern die ihn auch zutiefst erschreckt hatte.
    Vor der Abreise in die USA war er ein annehmbarer Handballspieler von etwas über dem Durchschnitt liegenden Erstliga-Format gewesen. Das war inzwischen zwar einige Jahre her, und natürlich hatte er seitdem so gut wie ausschließlich American Football gespielt. Er war Quarterback der Universitätsmannschaft von San Diego gewesen.
    Er hatte sich vorgestellt, über den Handball neue Menschen kennenlernen und seine Isolation durchbrechen zu können. Den alten Freunden ging er aus dem Weg. Sie würden zu viele Fragen stellen, zu denen er sich nicht äußern durfte. Bei neuen Freunden allerdings wäre es ohne weiteres möglich, ein halbradikaler adliger Reserveoffizier und Freizeit-Handballer zu sein, ohne daß dies merkwürdig wirkte. So hatte er gedacht.
    An den ersten beiden Trainingsabenden war alles gutgegangen. Es war nur natürlich, daß ihm manches ungewohnt vorkam.
    Kein Wunder, daß er zunächst nicht schnell genug war. Verständlich auch, daß das Spiel in den Jahren seiner Abwesenheit härter geworden war. An jenem Abend aber, der sich als der letzte erweisen würde, wurde er immer wieder von einem Abwehrspieler zu Boden gerissen, der die Torjäger der; Gegenseite fast mit Ringergriffen attackierte.
    Carl lauerte als Kreisläufer immer gerade dort, wo der Abwehrspieler mit den Ringergriffen stand. Carl wurde viermal zu Boden gerissen, als er zum Torwurf kommen wollte, beim dritten und vierten Mal mit Griffen von hinten, als er schon meinte, durchgebrochen zu sein. Das waren Regelverstöße, die normalerweise sofort hätten gepfiffen werden müssen. Dies war jedoch kein reguläres Spiel, und um so unbegreiflicher kam es Carl vor, daß jemand die Absicht haben konnte, einen Vereinskameraden beim Training zu verletzen.
    Als die beiden Kontrahenten ein fünftes Mal zusammenstießen, hakte bei Carl etwas aus. Er wirbelte herum, so daß er dem Gegenspieler den Rücken zukehrte, und stieß ihm mit voller Kraft den Ellbogen in die Magengegend.
    Das war eine Bewegung, die Carl mehr als zehntausendmal trainiert hatte; sie gehörte zu seinem Standardrepertoire.
    Normalerweise führte dieser Schlag zum Bruch einer oder mehrerer Rippen sowie zu sofortiger Bewußtlosigkeit.
    Noch während der andere zusammenbrach, bemerkte Carl zu seinem Entsetzen, daß er schon die Hände hob, um den tödlichen Nackenschlag anzubringen. Und in dieser Körperhaltung erstarrte er. Wie ein soeben enthülltes Denkmal stand er über seinem bewußtlosen Vereinskameraden. Und allen Anwesenden ging natürlich ein Licht auf. Nur im ersten Moment hätte es noch so aussehen können, als wäre alles im Übereifer passiert.
    Als Carl das Feld verließ, war ihm klar, daß er nicht mehr zurückkommen konnte. Am meisten quälte ihn seltsamerweise das unsportliche Verhalten. Sein ganzes Sportlerleben war von englischen Idealen geprägt gewesen. Er hatte nie geschummelt, nie behauptet, ein Ball sei im Aus, der es nicht war, er hatte sich nie hingeworfen, geächzt, gejammert, gestöhnt und sich gewunden, wie es manche Fußballspieler gern tun, hatte einen Gegenspieler nie bewußt angerempelt oder verletzt. Derlei hatte er bei sich für vollkommen unmöglich gehalten.
    Was ihn womöglich noch mehr hätte bekümmern sollen als die Frage des Fair play, war die einfache Tatsache, daß er hier zum erstenmal seine körpereigenen Gewaltinstrumente für einen privaten Zweck eingesetzt hatte. Das hätte ihm nie passieren dürfen. Er war immer zurückgewichen, hatte jeden Streit vermieden, hatte sich nie von der Versuchung hinreißen lassen, so schnell und hart und vernichtend zuzuschlagen, wie er es ohne jeden Zweifel konnte, etwa wenn irgendein angetrunkener Kurskamerad in Kalifornien an Tessie herumgefummelt hatte, um ihn herauszufordern. Er hatte sich immer in der Gewalt gehabt.
    Er hatte acht Serien geschossen. In der Schachtel waren noch zwei Schuß. Die Treffer wichen nicht auffällig voneinander ab.
    Gegen Ende war das Ergebnis wie gewöhnlich schlechter geworden. Er wog den Revolver eine Weile in der Hand und spürte, wie das Elend ihn wieder niederzudrücken begann. Da klingelte das Telefon des Nebenanschlusses, den er unerlaubterweise im Trainingsraum installiert hatte. Es war Näslunds Sekretärin. Er erklärte sich damit einverstanden, in einer halben Stunde bei Näslund zu sein - wenn es schon dicke kommt, dann lieber alles auf einmal-, legte den Revolver in den Waffenschrank zurück, ohne ihn

Weitere Kostenlose Bücher