Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
außerdem einige rein praktische Arbeit geben, aber das ist in meinen Augen weniger wichtig. Und jetzt, lieber Freund, schlage ich vor, daß wir das förmliche Sie ablegen. Wir werden uns allerdings nicht wiedersehen, bevor das Unternehmen auf die eine oder andere Weise abgeschlossen ist. Maack wird dein Ausbilder. Auf Wiedersehen.«
    Damit streckte ihm Loge Hecht zum Abschied die Hand hin und verschwand mit dem Mantel über dem Arm durch die Zimmertür, ohne sich noch einmal nach seinem jüngeren Mitarbeiter umzusehen.
    »Wie gesagt«, bemerkte Siegfried Maack mit seinem weichen Akzent, der nur entfernt an das gebrochene Englisch deutscher Schurken in englischen und amerikanischen Filmen erinnerte, »wir sehen uns morgen in St. Augustin. Punkt zehn Uhr kommt ein Wagen und holt dich ab. Du bezahlst deine Rechnung und verläßt das Hotel. Wir werden die Kosten natürlich erstatten, aber wir sollten dabei nicht in Erscheinung treten.«
    »Nichts dagegen. Was sollen wir beiden aber tun? Eine Woche lang Terroristen-Atmosphäre büffeln, ist das nicht die reine Zeitverschwendung? Die Spur wird ja mit jedem Tag kälter.«
    »Schon möglich, aber dieses Unternehmen hat ohnehin nur geringe Erfolgsaussichten. Und eine Woche dürfte das mindeste an Vorbereitungszeit sein. Du mußt dich mit den Gewohnheiten dieser Wahnsinnigen vertraut machen, und das ist nicht ganz einfach. Na ja, nicht alle sind wahnsinnig. Wir sehen uns draußen. Der Wagen kommt Punkt zehn Uhr.«
    Damit war Carl allein. Er stellte die Stühle zurück und räumte die Biergläser ab. Da niemand geraucht hatte und die Klimaanlage tadellos funktionierte, war von der Zusammenkunft nichts mehr zu sehen. Es war, als hätte das merkwürdige Gespräch nie stattgefunden.
    Er betrachtete sein tristes, korrektes Hotelzimmer mit leichtem Abscheu. Es war kurz nach neun. Er schaltete das Fernsehgerät ein. In einem Kanal wurde irgendein Monsterfilm gezeigt, im nächsten eine Diskussion, aus der Carl nicht recht schlau wurde, im dritten ein Fußballspiel zweier deutscher Mannschaften und im vierten war ein Symphonieorchester im zweiten Satz von Beethovens Dritter Symphonie. Das ist die Ironie der Wirklichkeit, dachte Carl und zog einen der Sessel vor den Fernseher. Es kann ja gar nicht anders sein, daß ich hier in Bonn direkt nach diesem Gespräch Beethovens Eroica zu hören bekomme. Außerordentlich.
    Während er zuhörte, blätterte er in den Broschüren des Hotels. Eine davon mit dem Bild Beethovens auf dem Umschlag würdigte Bonns Rolle als Bundeshauptstadt am Rhein, war aber trotzdem nur mit Bildern von Beethoven illustriert.
    Das Beethovenhaus liegt in der Bonngasse 20 in der Stadtmitte.
    Carl las, daß es im Sommer um neun geöffnet wurde, jetzt im Winter aber erst um halb zehn. Wenn er sich am nächsten Morgen rechtzeitig einfand, würde er sich einen Eindruck von dem Museum verschaffen können, bevor ihn der Wagen nach St.
    Augustin brachte. St. Augustin - das hörte sich an wie San Quentin, das Gefängnis, in dem Chessman bis zu seiner Hinrichtung in der Todeszelle saß. Die beiden Deutschen hatten von St. Augustin gesprochen, als hielten sie es für selbstverständlich, daß er wußte, worum es sich dabei handelte.
    Nach der Eroica kam Haydns Symphonie mit dem Paukenschlag.
    Carl lauschte dem ersten Satz, wurde dann aber ungeduldig.
    Es blieben ihm noch zwölf Stunden, bis der Wagen ihn abholen sollte, und er war alles andere als müde. Die beiden Deutschen hatten ihm nicht gesagt, daß er im Zimmer bleiben mußte. Es sprach also nichts dagegen, daß er sich ein wenig unter Menschen begab.
    Der Stadtplan des Hotels versuchte den Eindruck zu erwekken, als ob das Steigenberger Hotel mitten in der Stadt läge. Eine komische Übertreibung. Der Prospekt zeigte auch einige der Bars des Hotels mit vereinzelten Besuchern in grünen Ledersesseln.
    Carl seufzte, verließ das Zimmer und nahm ein Taxi zum Hauptbahnhof. Er ging auf den nächsten Kirchturm zu.
    Irgendwo dort mußte die Stadtmitte ja zu finden sein.
    Carl fand ein Gemisch aus Fußgängerstraßen, EinkaufsZentren und alten Bauwerken. Nach einigen hundert Metern gelangte er zu einem Marktplatz, auf dem gerade Weihnachtsmarkt war. Es fiel ein leichter Nieselregen. Carl blieb an einem Stand stehen und kaufte ein Glas Glühwein, der anders als die schwedische Variante dieses Getränks aus Rotwein mit Wasser und Zucker zu bestehen schien. Am Stand nebenan wurden jetzt schon Weihnachtsbäume verkauft. Er warf einen

Weitere Kostenlose Bücher